Gleich obenauf liegt der Brief im Postkasten. Absender: Amtsgericht. Nichts Gutes, das ahne ich gleich. Und tatsächlich: wieder ist jemand ausgetreten aus der Kirche. Manchmal kenne ich den Namen. Mancher ist mir auch unbekannt. Manchmal hatten wir erst kürzlich eine Hochzeit oder Konfirmation zusammen. Manchmal ahne ich, dass es finanziell in der Familie wirklich gerade knapp ist. Und natürlich weiß ich, dass leider viel zu viel bei Kirche passiert ist, das nicht hätte passieren dürfen! Und es erfüllt mich mit Scham.
Umgekehrt durfte ich Kirche oft genug als sehr segensreiche Institution erleben, für mich war meine Heimatgemeinde wirklich ein Stück Heimat mit viel Geborgenheit, die ich vom Kindergottesdienst an dort erfuhr. Oft genug sitze ich dann ratlos vor so einer Austrittsmitteilung und immer betrübt: schade, wenn Kirche und damit uns alle jemand verlässt! Dann stehen sie mir vor Augen, unsere vier wunderschönen Kirchen, ich versuche mir vorzustellen, wie stolz Menschen einmal waren, als diese Kirche gebaut wurden, wie sie selber dieses Projekt unterstützt und so mancher viel dafür investiert hat, weil ihm Kirche am Herzen lag. Und heute? Sonntags verlieren sich oft wenige in den Kir- chen. Und die Botschaft von Gott, der die Liebe ist, von Jesus, der uns annimmt, vom heiligen Geist, der uns hilft dieses Leben zu meistern und durch uns Segen in die Welt tragen will – ist sie wirklich nicht mehr aktuell und relevant? Ich kann alleine nicht glauben – ich brauche das Miteinander mit anderen, den Austausch, das gemeinsame Singen und Beten, Lachen, Wei- nen und Hoffen … Ich brauche euch, und Kirche braucht gerade auch die Zweifelnden, auch die
mit den kritischen Gedanken, auch die, die zu Recht aufs Geld schauen und trotzdem froh sind Kirche noch im Dorf zu haben. Und auch die mit den ganz neuen Ideen wie Kirche sein könnte, ich würde so gerne mit euch träumen und etwas verändern!
Und so brauche ich Pfingsten. Pfingsten erinnert mich an Menschen, die mir Glauben vermittelt haben. Pfingsten heißt: Jesus selber ruft uns in die Gemeinschaft von Schwestern und Brüdern. Pfingsten heißt: Christinnen und Christen sind auf der ganzen Welt zu finden, sprechen verschiedene Muttersprachen, aber haben universale Zeichen wie Taufe, Abendmahl, Kreuz, Gebet und Segen, die uns verbinden. Pfingsten heißt: da ist ein Geist überall auf der Welt am Wirken, er setzt in Bewegung, verleiht Flügel, gibt Hoffnung, lässt Menschen über sich hinaus- wachsen wie damals an Pfingsten den Fischer Petrus, der mal schnell eine Predigt hielt und daraufhin 3000 Menschen taufte. Pfingsten lässt uns spüren, dass Gott in uns ist und über uns, der uns riesig liebhat. Pfingsten erinnert mich: alles kann klein anfangen, aber Gott lässt aus Kleinem Großes werden! Pfingsten ist das Fest der Begeisterung über Gottes Wort, der Freude am Miteinander, der Hoffnung: dass alles möglich ist. Wunder geschehen, und das Schönste kommt erst noch!
Ich freue mich auf Pfingsten! Ich freue mich auf lebendige Gemeinschaft, in der wir zusammen lachen und weinen und versuchen die Welt etwas schöner und besser zu machen! Und das nicht aus uns heraus: es ist der Heilige Geist, der das alles wirkt!
Euer Pastor Gerald Rohrmann!