Die St. Gallus-Kirche zu Neugalmsbüll
Im nordfriesischen Galmsbüll, im Ortsteil Neugalmsbüll, steht eine der bemerkenswertesten Kirchen Schleswig-Holsteins aus der Zeit des 19. Jahrhunderts. Im „Großen Nordfriesland-Buch“ spricht der Verfasser Dr. Rauterberg von „einem Gesamtkunstwerk des Historismus“.
Der Kieler Architekt Friedrich Moldenschardt schuf in den Jahren 1888–1891 einen einschiffigen, neugotischen Backsteinbau mit einem eingezogenen eckigen Chorraum.
Zwischen mächtigen Stützpfeilern befinden sich großflächige Rundbogenfenster mit reichhaltiger Glasmalerei.
Der westlich angesetzte 38 Meter hohe Turm wurde 1954 an drei Seiten mit einer neuen vereinfachten Verblendung versehen. Die alte Bauausführung ist noch sehr gut auf der Turmrückseite sichtbar. Alle Dachflächen sind mit Schiefer belegt. Drei verschiedene Materialfarben zu Mustern verarbeitet, geben den Dächern ein dekoratives Aussehen.
Die Innenwände sind teppichhaft, in byzantinischer Pracht, mit Sgrafitto-Putz versehen. Die Decken und höheren Chorwände zeigen sehr fein ausgearbeitete Ornamentmalereien. Diese Art der Innenarchitektur ist in Ausführung in Europa einmalig. Unterbrochen werden die farbigen Wandteile von Backsteinflächen bei den tragenden Bauelementen. Kirchenschiff und Chorraum haben mit Formsteinen an den Rippen ausgebildete Kreuzgewölbe.
Die Kirche ist dem irischen Mönch, St. Gallus, geweiht. Die Namenswahl geschah durch die Ähnlichkeit zum Namen der Vorläufergemeinde auf der im 18. Jahrhundert versunkenen Hallig Galmsbüll. Diese Hallig wurde im 13. Jahrhundert erstmalig erwähnt, sie lag vor dem heutigen Küstenverlauf und konnte nie eingedeicht werden.
In der Kirche vorhandene Leuchter und das Abendmahlsbesteck stammen von den Halligkirchen.
Die Eindeichung zur Landgewinnung der Christian-Albrechts-Köge, des Kleiseer Kooges und des Marienkooges brachte eine Besiedelung durch welterfahrene Gutsbesitzer.
Große landwirtschaftliche Höfe entstanden und aus diesem Reichtum heraus erbaute man sich eine Kirche in fast völliger Unabhängigkeit von der „Mutterkirche“, dem so genannten Patronat.
Seit 1982 ist die Kirchengemeinde Neugalmsbüll ein Glied der Nordelbischen Kirche.
Die St. Gallus-Kirche steht inmitten eines großzügig angelegten parkähnlichen Kirchhofs, an den sich der dörfliche Friedhof anschließt.
Wegen der Einmaligkeit in vielen baulichen Bereichen wurde die St. Gallus-Kirche im Jahre 1977 unter Denkmalschutz gestellt.
Die Kirche ist von Ostern bis Oktober täglich von 9.00 - 17.00 Uhr geöffnet.
Geschichte
Vor dem jetzigen Außendeich, zum Teil auch im Bereich der Siedlung Galmsbüllkoog, befand sich bis etwa 1825 die Hallig Galmsbüll. Sie wird in alten Zinsbüchern erstmalig in der Mitte des 13. Jahrhundert erwähnt. Im Jahre 1626 hatte diese Hallig eine Größe von 140 Hektar. Die Bewohner betrieben Schifffahrt, Salzgewinnung aus Torfverbrennung und Weberei. Seit dem Jahre 1770 bestanden Pläne zur Eindeichung des Vorlandes zwischen Dagebüll und Emmelsbüll, diese scheiterten jedoch immer wieder an den Kosten.
Als dann im Jahre 1798 der Marienkoog eingedeicht wurde, war das Schicksal der Hallig Galmsbüll besiegelt. Die von weitem, aber flachem Salzwiesenvorland umgebene Hallig bestand zu diesem Zeitpunkt nur noch aus der Kirchwarft.
Mindestens eine Kirche in hölzerner Bauweise war an gleicher Stelle schon im 16. Jahrhundert erbaut worden. Gerade an dieser Stelle wurde die Warft aber immer wieder besonders von den Fluten abgespült. Trotz Einsprüche und dem Versagen der Finanzmittel von höchsten Stellen wurde eine neue Kirche, diesmal in steinerner Ausführung, wieder an gleicher Stelle errichtet.
Diese Kirche wurde wegen Einsturzgefahr im Jahre 1800 abgebrochen.
Schon 1789 verließ der letzte Prediger, Christian Christiansen, die Hallig. Zu dieser Zeit lebten auf Galmsbüll noch 180 Menschen. Da der Pastor von ihnen bezahlt wurde, kann man sich vorstellen, dass er keine Reichtümer ansammeln konnte.
Die Folgen der großen Flut von 1825 ließ den letzten Bewohnern keinen Lebensraum mehr. Sie siedelten in den Marienkoog. Dort war schon 1803 für die unvermögenden Halligbewohner aus den Materialien der abgebrochenen Halligkirche ein Armenhaus, später Kloster genannt, entstanden. Im Kloster wurde nach einigen Umbauten lange Zeit der Gottesdienst für die Bewohner des Marienkooges abgehalten. Der große Kronleuchter, die Altarleuchter und das Abendmahlsbesteck wurden ins Kloster hinüber gerettet und später in unsere jetzige Kirche übernommen.
Als im Jahre 1682 der Alte Christian-Albrecht-Koog entstand, sah das Gründungspapier, der sog. Oktroi, auch einen baldigen Kirchenbau vor. Aber bis zum Jahre 1742 verfolgte die Koogsvertretung diese Anordnung nur sehr halbherzig. In diesem Jahr wurde ein Bauplatz in der Nähe des jetzigen Wohngebietes Grotsand festgelegt. Eine verlustreiche Viehseuche machte die Finanzplanung jedoch zunichte.
Die Bewohner der Köge benutzten damals die Gotteshäuser in Emmelsbüll, Deezbüll und Dagebüll, ja sogar bis Neukirchen reichten die Beziehungen. Erst 1874, mit dem Ende der Kirchenwahlfreiheit, mussten die Koogsgemeinden eine eigene Kirche bauen.
Die Koogsverwalter dachten an ein Zusammengehen mit dem Kirchspiel Dagebüll. Man wurde sich jedoch nicht einig: Dagebüll schloss sich 1875 mit dem Juliane-Marienkoog und dem südlichen Teil des Kleiseerkooges zusammen. Hier bestanden schon lange gewachsene familiäre Bindungen.
So blieb den Christian-Albrecht-Kögen (Alter + Neuer), dem nördlichen Gebiet des Kleiseerkooges und dem Marienkoog nur noch die Vereinigung zur jetzigen Kirchengemeinde (1876). Der Inspektor der Christian-Albrecht-Köge führte die Verhandlungen und beauftragte den Kieler Architekten Moldenschardt mit den Planungen eines Kirchenbaus im jetzigen Ortsteil Neugalmsbüll.
Das Kirchspiel umfasste damals 840 Gemeindeglieder. Wegen finanzieller Probleme wurde das erste Konzept von ihm mit 300 Sitzplätzen verworfen. Schließlich einigte man sich auf die heutige Größe und Bauausführung mit etwa 115 Plätzen.
Bevor im Jahre 1888 mit dem Bau begonnen werden konnte, waren noch diverse Schwierigkeiten zu bewältigen. Nicht zuletzt ging es um das verbriefte Recht der Hauptpartizipanten (die Geldgeber der Eindeichungen), Einfluss in vielerlei Gestalt nehmen zu dürfen.
Nach drei Jahren Bauzeit wurde der Neubau am 2. August 1891 feierlich eingeweiht.
Die Kirchengemeinde war früher in ihrem Rechtsstatus ein Patronat, dieses bedeutete eine fast vollständige Unabhängigkeit von der "Mutterkirche". Seit 1982 ist unsere Kirchengemeinde Vollmitglied der Nordelbischen Kirche.
Der erste festangestellte Pastor war Martin Sigmund Lensch, er wirkte bis zum Jahre 1910. Bis 1967 haben mehrere Pastoren die Kirchengemeinde vollzeitlich betreut. Nach einer kurzen Zugehörigkeit zur Kirchengemeinde Niebüll verloren wir unsere Pastorenstelle. 33 Jahre lang war die Pastorenstelle dann nicht mehr besetzt. Die Vertretung übernahmen die Pastoren der Kirchengemeinde Niebüll-Deezbüll.
Seit dem 01. März 2000 ist die Kirchengemeinde Teil eines Verbundes mit den Nachbarkirchengemeinden von Emmelsbüll und Horsbüll.
2012 schlossen sich die Kirchengemeinden Emmelsbüll und Neugalmsbüll zur Kirchengemeinde Emmelsbüll-Neugalmsbüll zusammen. Sie ist ein Teil des Pfarrverbunds „4-Bülls“, welcher aus den Kirchengemeinden Emmelsbüll-Neugalmsbüll, Horsbüll und Klanxbüll besteht.
Die Kirche ist, wie die früheren Galmsbüller Gotteshäuser, dem irischen Mönch Sankt Gallus gewidmet, der um 800 dem berühmten Klosters St. Gallen seinen Namen gab. Die Ähnlichkeit "Galmsbüll" zu seinem Namen ist sicher gewollt, aber ohne Bedeutung zur Person des Mönchs.
Kirchenbauliche Anlagen und Inventar
Es handelt sich um einen einschiffigen, neugotischen Backsteinbau, mit drei Jochen und einem eingezogenen Chorraum mit Abseiten. Die Wände sind teppichhaft,in byzantinischer Pracht, mit ornamentalem Sgrafitto-Putz versehen, der in dieser Gesamtheit in Nordeuropa seinesgleichen sucht. Die Ausstattung der Fenster und des dekorativen Schieferdaches ist in Neo-Renaisanceformen gehalten. In der Beurteilung wird von "einem Gesamtkunstwerk des Historismus" gesprochen. (Dr. Rauterberg: Das große Nordfriesland-Buch).
Bauzeit: | 1888 bis 1891 |
Einweihung: | 2. August 1891 |
Architekt: | Heinrich Moldenschardt Kiel, ein Schüler von Gottfried Semper, dem Schöpfer der Dresdener Semper-Oper. |
Maurerarbeiten: | Fa. Schmicker, Niebüll, Neu: Fa. Callsen, Risum-Lindholm |
Schieferarbeiten: | Fa. Petersen, Niebüll, Neu: Fa. Andritter, Bredstedt |
Innenputz: | Fa. Jansen, Bredstedt - Sgrafitto-Putz (Kratztechnik) |
Holz- und Schnitzarbeiten: | Bildhauer und Kunsttischler Heinrich Sauermann, Flensburg |
Turm, neu: | Fa. Jens Johannsen, Neugalmsbüll, 1952 |
Friedhofsportal, neu: | Fa. Karl-Peter Hansen, Galmsbüll |
Turmuhr: | Fa. J. F. Weule, dreiseitige Ausführung |
Glocken: | Zweistöckiges Geläut, 1941 für Kriegszwecke gegeben. 1957 Neuanschaffung: Fa. Rinker, Auslegung: "fis" und "a" Stundenglocke a. d. Turmrückseite |
Orgel: | Fa. Marcussen & Son, Apenrade, 1891, romantische Intonierung, 9 Register, 2022 restauriert |
Steintaufe: | 12. - 13. Jahrhundert, Granit im romanischen Stil, aus dem versunkenen Rickelsbüll, versehen mit einem neueren Fuß. |
Kronleuchter: | Achtarmiger Lichtkranz, 1706, Stiftung Galmsbüller Familien |
Wandleuchten: | Stiftungen aus neuerer Zeit. |
Altarfenster: | Stiftungen der Ulrike Jessen, der Fam. Melfsen u. Sibbers sowie anderen Gemeindebewohnern um 1891. Restauriert 2000,Fa.Loers, Glückstadt |
Altes Pastorat: | Erbaut 1895, nebenstehend. |
Die Kirche steht seit 1977 unter Denkmalschutz. Von 1984 bis 1986 wurde der gesamte Innenbereich aufwendig restauriert. Im Jahr 2000 wurde das Schieferdach von Kirche u. Turm restauriert, viele Formsteine erneuert, alle Kupferteile nachgearbeitet und die künstlerisch wertvollen Chorfenster restauriert.
Ausstattung
Die im einheitlichen Stil passend zur Innengestaltung der Kirche geschaffene Kirchenausstattung entstand in der Werkstatt des Bildhauers und Kunsttischlers Heinrich Sauermann aus Flensburg. Altar, Kanzel, Taufdeckel, Bankköpfe, Orgelprospekt und die Westempore zeigen reichhaltige Holzschnitzflächen. Motive der Wandbemalung finden sich vielfältig in diesen Schnitzereien wieder.
Das älteste Ausstattungsstück ist der Taufstein aus Granit aus dem 12. bis 13. Jahrhundert. Er stammt aus der 1615 untergegangenen Rickelsbüller Kirche. Eine 1750 für die Halligkirche gestiftete hölzerne Taufe mit passendem Taufdeckel wurde der St. Niels-Kirche in Westerland überlassen, da sie nicht mit dem restlichen Inventar zusammenpasste.
Die Altarfenster sind Stiftungen der mehrerer Galmsbüller Familien, darunter Ulrike Jessen (1817–1909), eine Hofbesitzerin im Christian-Albrechts-Koog, die auch eine noch bestehende Stiftung zugunsten junger Galmsbüller ins Leben gerufen hat, die eine über die Dorfschule hinausgehende Bildung anstreben.
Orgel
Die Orgel der Kirche wurde 1891 von der dänischen Orgelbaufirma Marcussen & Søn als Op. 199 gebaut. Sie verfügte ursprünglich über acht Register auf je einem Manual und Pedal. Der prächtig geschnitzte Prospekt ist wie die restliche Ausstattung ein Werk von Heinrich Sauermann. 1907 wurde die ursprüngliche Oktave 2' durch das Register Salicional 8' ersetzt. Diese Arbeiten führte Marcussen & Søn selbst durch. Im Jahre 1977 wurde die Orgel geringfügig umgebaut und durch zwei Register erweitert, um den Klang aufzuhellen und die Orgel dem damaligen Zeitgeschmack anzupassen. Diese Register fügten sich allerdings nicht gut in das romantische Klangbild ein. Daher wurde die Orgel 2022 durch Orgelbau Paschen Kiel GmbH restauriert. Dabei wurde der Choralbaß 4' wieder stillgelegt, die Traktur erneuert, der Winddruck erhöht und der Orgel wieder ihr ursprüngliches romantisches Klangbild verliehen. Die Oktave 2' von 1977 bleibt bestehen, da bereits in der ursprünglichen Disposition ein 2'-Prinzipal vorhanden war. Das Register wurde klanglich dem historischen Bestand angepasst.
Mehr Informationen über die Orgel gibt es hier:
Turmuhr und Glocken
Im Turm befindet sich eine mechanische Turmuhr der Firma J. F. Weule von 1890, welche heute noch im Betrieb ist. An der Turmrückseite befindet sich eine Schlagglocke von 1890, welche jede halbe Stunde schlägt.
In der Glockenstube hängen in einem Stahlglockenstuhl zwei Bronzeglocken der Glockengießerei Rincker aus dem Jahre 1957, die als Ersatz für das 1941 als Metallspende des deutschen Volkes abgegebene zweistimmige Geläut von J. J. Radler, Hildesheim aus dem Jahre 1890 angeschafft wurden. Sie haben die Töne fis‘ und a‘.
Hier sind sie zu hören: