Geistliches Wort
Thema verfehlt! Das war mein schulischer Albtraum. Ich schrieb bei Klassenarbeiten, gerade auch bei Aufsätzen, jede Menge und legte auch meist gleich los, um die Zeit voll auszuschöpfen. Aber einmal war es passiert, ich hatte die Fragestellung nicht genau genug durchgelesen und bin mit meiner Antwort so ziemlich am Thema vorbeigeschlittert. Seitdem war das bei jeder Arbeit meine große Sorge: ich könnte etwas falsch gedeutet haben, und all mein wäre umsonst! –
Thema verfehlt. Ergeht es uns gerade so mit der Jahreslosung für dieses Jahr: Lasst alles in der Liebe geschehen? Wenn wir die
Welt anschauen, wie sie gerade ist: Dauerbeschuss in der Ukraine. Eskalation in Israel, im Gazastreifen. Oder die Stimmung bei uns im Land: So weit auseinander gehende Meinungen, und die jeweils andere Seite scheint für Argumente und wenigstens einen gemeinsamen Grundkonsens gar nicht mehr ansprechbar. Und oft genug fehlt es auch an Respekt. Und wie steht es mit uns? Lasst alles in der Liebe geschehen. Jeden Tag scheinen Nachrichtensendungen das Gegenteil aufzuzeigen: die Liebe steht in der Ecke! Und Unversöhnlichkeit ist Trumpf! – „Lasst alles in der Liebe geschehen“, schreibt Paulus einer Gemeinde ins Stammbuch, die von außen schon genug Anfeindungen erlebt, aber auch als christliche Gemeinde von einem Streit in den nächsten schlittert, viel zu wenig die Not um sich herum wahrnimmt und sich in mancher Rechthaberei verliert. –
Herbst 2024. Die Jahreslosung geht auf die Zielgerade. Es gibt Gott sei Dank noch anderes: Es gibt die Erfolgsmeldungen der Liebe, manchmal so kleingedruckt, dass wir sie viel zu schnell überlesen! Da geht ein Gruppenfoto von olympischen Tischtennisspielern aus Nord- und Südkorea um die Welt – ein kleines Bild der Hoffnung auf Verständigung und Versöhnung! Da
freut sich eine Olympiasiegerin über ihr Gold für die Ukraine – und lässt für einen kurzen Moment ihre Heimat all das Kriegsleid ausblenden. Und mitten unter uns? Da wird unglaublich Groß- artiges geleistet in den beiden Kitas in Klanxbüll und Emmelsbüll. Tolle Leitungen, tolles Team, tolle Eltern, tolle Kinder, tolle Atmosphäre. So erlebe ich es vor Ort. Da hat sich so viel getan! Längst sind sie beide keine evangelischen Einrichtungen mehr, was ich zutiefst bedauert hatte! Aber es ist so Segensreiches entstanden, und – dafür bin ich sehr dankbar: die Glaubensbotschaft bleibt weiterhin willkommen! Oder: ich stöbere in den Gästebüchern unserer offenen Kirchen: so viele schön Einträge von Menschen, die in den offenen Kirchen besondere Momente mit Gott erleben durften. Ein Eintrag lautet: „Wir haben gerade bei Oma F. gefrühstückt! Gelebte Nächstenliebe!“ – Wie großartig ist das, und es geschieht immer wieder mitten unter uns! Und noch so ein Erlebnis: Ich sitze bei einem Beerdigungsgespräch. Jemand starb viel zu früh. Und ich höre die Geschichte seiner Krankheit, aber wie die ihn nie hat ausbremsen können. Ich höre von einem Menschen, der sich trotz eigener Krankheit bis zuletzt für seine Familie und in der Firma für seine Angestellten eingesetzt hat. Ich höre von einer Familie, die mit ihm gemeinsam gegen die Krankheit gekämpft und sich mit so viel Liebe gegenseitig beigestanden hat! Am Ende bleibt die Liebe, sie ist alles, was zählt!
„Lasst alles in der Liebe geschehen!“ Das ist leicht gesagt, längst nicht immer leicht getan. Aber wo es geschieht, schreibt es Geschichten, die anderen Mut machen! Und Gott freut sich daran – er ist doch, wie im 1. Johannesbrief in der Bibel steht: selber die Liebe!
Also: Bleibt geliebt!
Euer Pastor Gerald Rohrmann