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Geistliches Wort

Grafik: Design Manufaktur - Janina Lux
Eben war die Welt noch in Ordnung. Jetzt ist alles anders. Weil das Undenkbare geschehen ist und nun offen zu Tage liegt...
Hier ist ein lieber Mensch ganz plötzlich gestorben, es blieb keine Zeit zum Abschiednehmen, und es gab noch so viele Pläne! Dort ist eine Krankheit plötzlich in ein Leben getreten. Alles ist auf einmal fraglich an Träumen, an Hoffnungen. – Hier ist ein Traum geplatzt – die Prüfung nicht bestanden. „Was soll jetzt aus mir werden?“ Dort kam heraus, dass er, die große Liebe, fremd gegangen ist. Kann je wieder Vertrauen wachsen?
Manchmal liegt unsere Welt, die eben noch vergleichsweise heil erschien, in Scherben.
Was für ein Scherbenhaufen wurde Ende Januar offengelegt. Die von der Evangelischen Kirche in Deutschland in Auftrag gegebene ForuM-Studie, die das Ausmaß sexualisierter Gewalt in der Kirche aufzeigen sollte. Aber wie verheerend dieses Ausmaß in Wirklichkeit war – und wie mangelhaft das Aufklärungsstreben der Kirche und ihrer Strukturen- , das kam dabei zum Vorschein. Ich selber bin noch wie vor den Kopf geschlagen. Wo ich mich früher mit Freude oder gar Stolz vorgestellt habe: Ich bin Pastor! – fühle ich Scham. Vieles geht mir durch den Kopf:
Es war auf der Konfirmandenfreizeit im Taunus. Mein Pfarrer, der mich später konfirmierte, hatte in der Nähe vom Unterkunftshaus eine Ferienwohnung. Einen Abend stand Nachtwanderung auf dem Programm: von dem Unterkunftshaus in die Ferienwohnung. Dort brannte Feuer im Kamin. Wir wärmten uns, es gab etwas zu essen, viel Zeit war zum Erzählen, bis wir dann spät in der Nacht wieder Richtung Unterkunft zurückmarschierten. Es war ein echtes Highlight der Konfirmandenarbeit. 
Meine erste Stelle. Ich junger Pfarrer in Hessen in einer Landgemeinde. Das Pfarrhaus war groß, und ich bewohnte es anfangs ganz alleine. Ich hatte einen guten Kontakt zu meiner ersten Konfirmandengruppe. Im Sommer lud ich sie zum Zelten in den Pfarrgarten ein. Ein ganzes Wochenende verbrachten wir miteinander im Pfarrhaus und im Garten, mit Spielen und vielen Gesprächen. Weitere Teamer waren keine dabei. So stellte ich mir Jugend- und Gemeindearbeit vor: ein vertrauensvolles Miteinander.   Nie wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass in Gemeinden eine solche Vertraulichkeit ausgenutzt werden könnte für sexualisierte Gewalt!
Eben war die Welt noch in Ordnung. Jetzt liegt vieles in Scherben. Fragen müssen gestellt werden. Personalakten müssen durchforstet werden, da darf sich Kirche nicht quer stellen. Was für ein Mut ist gefordert von Betroffenen, die sich melden und jemandem anvertrauen. Nachdem viele schon so oft abgeblockt wurden in kirchlichen Gremien, weil ihnen nicht geglaubt wurde, weil eben nicht sein kann, was nicht sein darf...
Ich bin dankbar für Kirche, wie ich sie selber als Jugendlicher erleben durfte. Und weiß doch: es braucht andere Strukturen, mehr Kontrolle, mehr Bewusstsein für Gefährdungen. Und schonungslose Aufklärung und Wiedergutmachung, auch wenn die Verletzungen nicht gut zu machen sind. Aber es gibt den Betroffenen Würde zurück.
Eben war die Welt noch in Ordnung. Jetzt liegt sie in Scherben. Da hängt einer am Kreuz, ausgestoßen von denen, die sich als die Frommen verstehen. Er gibt Menschen, die Gewalt welcher Form auch immer erlebten, ein Gesicht, eine Würde. Schenkt Hoffnung: auf etwas, das aus Scherben entstehen kann. Sühne aus Schuld. Würde für die, die so viel Erniedrigung erlebten. Neues Miteinander. Die Wunden sind entsetzlich. Die Narben werden bleiben. Aber das darf nicht das letzte Wort sein!
Jesus spricht: „Was ihr getan habt einem dieser Geringsten meiner Schwestern und Brüder, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40).
Sie, mit der Trauer im Herzen, hat wieder Mut gefasst: eine neue Aufgabe schenkt ihr Ablenkung. Er, der so erkrankt istl: er hat den Kampf längst angenommen. Sie mit der verpatzten Prüfung: sie merkt auf einmal, was für wunderbare Freunde sie hat und dass Noten nicht alles sind. – Und ihr so Mutigen, die ihr in Worte fasst, was ihr Widerwärtiges bei Kirche und „Würdenträgern“ erlebt habt: habt ihr eine Hoffnung? Mir, uns bleibt vielleicht nur: viel aufmerksamer und hellhöriger zu sein! Viel mehr sensibilisiert für das, was eigentlich nicht sein darf. Gelingt es uns Kirche gemeinsam neu zu aufbauen, dass sie ihren Namen verdient: Kirche Jesu Christi, Kirche gerade für die Schutzbedürftigsten, Kirche, die Vertrauen nicht missbraucht, Kirche, die echte Gemeinschaft auf Augenhöhe schenkt und Freude und Hoffnung weckt auf eine Welt, die für niemanden mehr so in Scherben liegen darf, wie es Menschen gerade erleben? Willst du uns helfen beim Bauen? – Bleibt behütet!

 

Die Nordkirche hat auf ihrer Homepage einige wichtige und hilfreiche Informationen zur ForuM-Studie und zur Prävention und Aufklärung sexualisierter Gewalt bereitgestellt.
Zu finden sind sie u.a. hier:

 

Grafik: Design Manufaktur - Janina Lux

LOSUNG
DES TAGES

Losung für heute:

Der HERR spricht: Ich will mich zu euch wenden und will euch fruchtbar machen und euch mehren und will meinen Bund mit euch halten.
3.Mose 26,9

Jesus spricht: Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben.
Lukas 12,32

© Evangelische Brüder-Unität - Herrnhuter Brüdergemeine

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