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Geistliches Wort

Grafik: Design Manufaktur - Janina Lux

Der Wert der Umwege
„Wo soll es hingehen?“, fragt mich der Taxifahrer, als er an der Jugendherberge in Oldenburg vorgefahren ist. Und dann, da er längst mein Gipsbein gesehen hat: „Oh, was hast du denn gemacht?“ Und wir waren mittendrin im Gespräch. Dass ich Pastor bin, erzähle ich nicht, wohl aber, dass wir gerade mit einer Jugendgruppe in der Jugendherberge sind, eigentlich von der dänischen Grenze kommen und ich mir gestern mal schnell einen Bruch am Fuß zugezogen habe. Ich spüre Anteilnahme bei ihm.  Auf der kurzen Fahrtstrecke erfahre ich, dass er eigentlich aus Berlin kommt – der Dialekt unterstreicht das. Irgendwann sei er nach Oldenburg gezogen, einfach so. „Manche bauen irgendwann ein Haus, heiraten, planen mit Kindern, basteln an ihrer Karriere, alles in trockenen Tüchern, so scheint es – und dann kommt es ganz anders“, sagt er mir. „Die Ehe geht auseinander, mit den Kindern klappt es auch nicht so, und beruflich – wer steckt da schon drin? Und dann hat man irgendwo ein Haus, wo man gar nicht hingehört.“ Und lässt eine bedeutungsvolle Pause. Und ich bleibe in Gedanken daran hängen: War bei mir gerade auch alles anders geplant, Konfifahrt, im Anschluss ein gut gefülltes Programm im April, Mai, Juni, und gleich nach der Konfifahrt zwei Beerdigungen, wie soll das eigentlich jetzt werden: ich gerade mit Gipsbein und Krücken? Soll ich mir Vertretung für die Beerdigungen suchen, kann das auch mit Gips gehen, bekomme ich so schnell einen Rollstuhl her, wie kommt die Gruppe nach Hause, wie komme ich nach Hause? Ein Augenblick, der alles veränderte gestern in dieser Trampolinhalle, das ganze Leben scheint aus den Fugen zu geraten, alles war so anders geplant...Mein Taxifahrer redet schon weiter: „Es sind die Umwege, die das Leben spannend machen, und manchmal führen sie erst zum richtigen Ziel...“ Er biegt in eine Wohngegend ein, und ich bin für einen Moment unsicher, ob er wirklich das richtige Krankenhaus anfahren wird. „Ich bin hier angekommen, von Berlin nach Oldenburg, das hätte ich früher auch nicht gedacht!“, sagt er mir.– Jetzt sehe ich den Pfeil: „Evangelisches Krankenhaus“. Exakt an der Notaufnahme, vor der ich gestern schon einmal war, setzt er mich ab. „Jetzt sind wir doch angekommen“, meint er noch, als habe er meine Zweifel gespürt, und wünscht mir alles Gute. Und ich betrete die Notaufnahme, setze mich in den Wartebereich, habe nun wieder einige Stunden Wartezeit vor mir. Aber die Predigt, die mir der Taxifahrer gehalten hat, wirkt nach. „Erst die Umwege führen manchmal ans Ziel“. Wer weiß, wofür es gut ist, so eine Erfahrung wie diese jetzt mit Krücken und Gips. Andere haben ganz andere Pakete zu tragen und jammern auch nicht herum! Vielleicht braucht es manchmal Situationen, die uns neu helfen Gottvertrauen einzuüben. Oder wieder sensibler zu werden für so viele Lebensentwürfe neben uns, die nicht so aufgehen wie geplant. Ein Vers aus dem Buch der Sprüche im Ersten Teil der Bibel fällt mir ein: „Des Menschenherz erdenkt sich seinen Weg; aber der Herr allein lenkt seinen Schritt.“  (Sprüche 16,9). Dann steht mir wieder alles vor Augen, was jetzt in kurzer Zeit geregelt werden muss. Aber ich merke etwas mehr Ruhe und Gelassenheit in mir. Die Predigt meines Taxifahrers wirkt! – Bleibt behütet!

Euer Pastor Gerald Rohrmann
 

LOSUNG
DES TAGES

Losung für heute:

Der HERR wird den Armen nicht für immer vergessen; die Hoffnung der Elenden wird nicht verloren sein ewiglich.
Psalm 9,19

Jesus spricht: Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer.
Lukas 6,20

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