Bannerbild | zur Startseite Bannerbild | zur Startseite
Link zur Seite versenden   Ansicht zum Drucken öffnen
 

2022

18. Mai 2022

Sonnenaufgang

Erstellt: 18. Mai 2022

Eigentlich hätte er jetzt längst schon wieder eine Runde gemacht in unserem Garten, nach dem Rechten gesehen, etwas gewerkelt. So wie er uns letzte Woche noch die Stockrosen gesetzt hat. Und die Wasseruhr angeschlossen, weil wir gerne vergessen den Wasserhahn vom Rasensprenger auch wieder abzudrehen. So wie er immer zur Stelle war, wenn wir Hilfe brauchten. Kürzlich, als das neue Bett durch das enge Treppenhaus zu unserer Tochter nach oben gebracht werden musste – er wusste, wie anzupacken war. Oder damals, als er die Idee hatte, in der Adventszeit das Pastorat mit vielen Lichterketten zu schmücken und er es sich letzten Advent nicht nehmen ließ auch noch mit der Leiter in den hohen Giebel zu klettern um auch dort über der Eingangstür eine Lichterkette anzubringen.

 

Irgendeinen hintergründigen Spruch gab es auch meist, der uns zum Lachen brachte. Und wenn ich am Haus vorbeiging mit Hund, winkte er immer, und unser Hund freute sich! - Er war und wird es immer bleiben; ein ganz besonderer Freund! - Und dann ist er von einem auf den nächsten Moment gegangen. Draußen auf seinem Grundstück. Mitten in der Arbeit. War seine Uhr einfach so – abgelaufen. Und jemand rief ihn nach Hause in die Ewigkeit von Gottes liebender Nähe. – Das Leben ist so kostbar. Keiner, keine kennt Zeit und Stunde. Jeden Tag als Geschenk nehmen. Etwas anfangen mit diesem Geschenk. Spuren der Liebe hinterlassen. Dankbar sein. In Zeiten wie diesen werde ich daran wieder erinnert. Manchmal vergesse ich es zu schnell im Alltag. – Wir hätten letzte Woche nochmal draußen einen Kaffee zusammen trinken sollen! Ach, es gäbe so viele hätte! Ändern kann ich es jetzt nicht mehr. Ich weiß nur, dass da ein Platz im Herzen leer bleiben wird. Oder besser: randvoll mit schönen Erinnerungen. Die weh tun, aber auch ein Schatz sind. Ich kann nur DANKE sagen! – Dass die Sonne einfach so weiter aufgeht. Dass das Leben einfach weitergeht. Unfassbar. Irgendwie auch so ungerecht. So empfinde ich gerade … Er hätte einfach dazu gehört, auch heute, auch morgen! Aber ohne den Glauben könnte ich es gar nicht ertragen. Dass da jemand für uns sorgt. Uns begleitet. Uns ruft, irgendwann. Und wir bei ihm geborgen sind. In Liebe und Frieden. Und uns sogar dort einmal – wie immer das dann aussehen wird – wiedersehen. – Jeder Moment ein Geschenk!

Bleibt dankbar und behütet!

11. Mai 2022

Blumen

Erstellt: 11. Mai 2022

Zölibat für Politiker/innen? Ich weiß nicht. Ich fühle mich zunehmend unbehaglich. Ich bin froh, dass Menschen in die Politik gehen. Und dass wir in unserem Land die Regierung auf demokratischem Weg wählen können. Ich bin froh, dass Menschen Verantwortung übernehmen. Ich wollte sie momentan nicht tragen, diese Verantwortung: Waffen liefern in die Ukraine oder nicht, und wenn, welche? Wie können wir verhindern, dass der Krieg zum Dritten Weltkrieg wird, und trotzdem der ukrainischen Regierung helfen wirksam dem Angreifer entgegenzutreten und das eigene Volk zu verteidigen? Gasboykott sofort oder später, welche Folgen hat was, und sind sie verantwortbar? – Ich bin froh, dass darüber in unserem Land offen diskutiert werden kann und Menschen Entscheidungsträgerinnen und -träger sind. Aber mir macht Sorge, welcher Maßstab an diese angelegt wird. Da übernimmt ein neuer Generalsekretär bei der CSU, und die Presse hat nichts Besseres zu tun als zuallererst die Doktorarbeit auf mögliche Plagiate unter die Lupe zu nehmen. Da verabschiedet sich eine junge Umweltministerin wenige Tage nach der Flutkatastrophe in einen Urlaub, der aus besonderen familiären Gründen dringend notwendig war – und alle hauen auf sie ein, ereifern sich, als wäre sie die Ministerpräsidentin oder das einzige Kabinettsmitglied und würde aus reinem Vergnügen jetzt Urlaub machen.

 

Da nimmt eine Verteidigungsministerin in einem Dienstflugzeug ihren Sohn mit, weil ihre Reise anschließend privat weiter nach Sylt gehen soll, und bezahlt, wie vorgesehen, auch die Kosten, und alles ist rechtlich so möglich – und die Presse tituliert sie mit Helikoptermama und im sozialen Netz ergeht sich der Shitstorm. – Versteht mich nicht falsch: oft genug gibt es Amtsmissbrauch, und es ist wichtig, dass genau hingeschaut wird. Und dennoch: Reden wir nicht immer von Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, damit gerade auch jüngere Menschen, auch jüngere Mütter für Politik und andere Führungsrollen gewonnen werden – und dann schielen wir nur argwöhnisch auf mögliche Fehltritte? Als Politikerin bleibt wenig Zeit für Privatleben. Soll gar keines mehr möglich sein und ein Politikmensch nur noch für sein Amt und den Staat leben, dann bitteschön lasst uns das Zölibat wie in der katholischen Kirche fordern, das wäre dann folgerichtig! Ich bin froh, dass Menschen Verantwortung tragen in unserem Land, die auch Familie haben, auch Rücksichten nehmen auf Ehepartner, Kinder, Eltern und nicht immer rund um die Uhr verfügbar sein können. Und ich möchte keine Politiker ins Burnout übergeben, weil man von ihnen ganz viel fordert, aber ihnen keinen Rückzugsraum zum Auftanken mehr gönnt. – Als Pastor bin ich ja auch oft genug zu Zeiten unterwegs, wo andere Familienzeit haben. Oft genug kam ein Anruf auch im Urlaub oder am Wochenende, wenn wir gerade loswollten auf einen Ausflug, und ich wurde dringend wohin bestellt. Meine Familie macht das mit, da bin ich sehr dankbar. Aber umgekehrt genieße ich auch die freie Zeiteinteilung. Ich konnte mit den Kindern unter der Woche zum Arzt, wenn etwas dringend war. Ich nahm gerne meine Kinder mit auf Besuche zum Geburtstag oder Ausflüge der Frauenhilfe. Auf der Gemeindefahrt nach Israel haben sie mich begleitet. Das war bereichernd für mich, und ich denke auch für meine Gemeinde. – Bitte lasst auch allen in der Politik Tätigen etwas Zeit für ihr Privatleben. Natürlich braucht es dazu viel Fingerspitzengefühl, den richtigen Spagat hinzubekommen. Aber wir sollten, finde ich, etwas gnädiger mit ihnen sein. Ich bin froh, dass Menschen Verantwortung übernehmen. Gerade in Zeiten wie diese. Dass wir auch ein paar jüngere, engagierte Leute wie etwa unsere Außenministerin in hohen Ämtern haben, die Familie und Beruf zusammenbringen müsen. Und ich finde es gut, sehr gut sogar, dass sie eine familiäre Erdung haben! Aber das ist jetzt einfach mal – meine Meinung! – Bleibt behütet! 

Sonntag Jubilate – 7. Mai 2022

Entenfamilie

Erstellt: 07. Mai 2022

Morgen ist Sonntag Jubilate! Im Mittelpunkt steht der Anfang - ja, ganz vorne geht es morgen los: Predigttext ist die Schöpfungsgeschichte: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“ – Damals war alles sehr gut - wir Menschen haben seitdem viel Zerstören angerichtet auf dieser Erde. Die Natur wird zerstört, die Lebensräume von Tieren und Pflanzen immer mehr beschnitten. Gott hat uns in die Welt wie in einen Garten hineingestellt um alles zu pflegen und zu bewahren. Es gibt ganz viel zu tun. Und Krieg muss auch dringend aufhören.

 

Der Mensch ist Gottes Ebenbild – jeder Mensch, gleich welcher Herkunft und Nationalität ist unwiderbringlich, einzigartig und kostbar in Gottes Augen und hat eine unverlierbare Würde und das Recht sein Leben in Freiheit zu gestalten. Millionenfach wird dieses Recht durch andere Menschen jeden Tag mit Füßen getreten auf dieser Welt. Gott leidet mit an all der Gewalt, die Menschen einander antun. Er wünscht sich so sehr, dass wir Menschen endlich Frieden lernen. Wir durften gestern eines von den wunderbaren Wundern der Schöpfung erleben: wieder nistete eine Ente auf unserem Reetdach am Pastorat, und gestern sind die Enten geschlüpft. Mit einem gewaltigen Klatsch mussten sie erst vom hohen Dach ziemlich unsanft auf dem asphaltierten Boden landen. Aber dann ging es schnell Richtung Wasser. Gute Reise, bleibt gut behütet, kleine Entenfamilie!

 

Und ihr auch – bleibt behütet!

Für Sonntag, 1. Mai 2022

Baum am See

Erstellt: 30. April 2022

Da ist eigentlich schon alles besprochen und geklärt. Ich bin auch in Zeitdruck, der nächste Termin wartet. Ich stehe an der Tür um mich zu verabschieden. Da hält mich mein Gastgeber nochmal am Arm: „Da fällt mir noch etwas ein.“ Und er fängt noch einmal an: eine Geschichte aus seinem wirklich bewegten Leben zu erzählen. Ich spüre den Zeitdruck in mir, aber zugleich merke ich auch, wie es meinem Gegenüber wichtig ist diese Geschichte noch loszuwerden. Wer weiß, wann wir die nächste Gelegenheit dazu hätten … – Da hat Johannes sein Evangelium wunderbar abgeschlossen mit dem Hinweis, es gäbe noch viele andere Zeichen und Wunder, die Jesus getan habe. Und alles, was in dem Evangelium aufgeschrieben ist, diene dazu den Glauben an Jesus, den Retter, zu bestärken. Und der geneigte Lesende ist schon dabei das Buch zuzuschlagen – da merkt er: es folgt noch etwas.

 

Johannes schiebt noch etwas hinterher. Oder ist es ein Nachtrag eines anderen, der später das Evangelium noch ergänzt. So genau wissen wir das nicht. Auf einmal scheinen wir wieder an den Anfang zurückversetzt: die Jünger am See Genezareth, wo alles begann. Ohne Jesus. Sie tun das, was sie ursprünglich mal gelernt hatten: Fischer sein. Aber die Netze sind leer – wieder einmal (da war doch etwas ganz am Anfang der Geschichte mit Jesus). Und wieder ist da ein Fremder am Ufer, der sie noch einmal auf den See hinausschickt. Und sie tun es. Und auf einmal :ein riesiger Fang. Jetzt verstehen sie, wer der Fremde ist: Jesus. Der Auferstandene. Er ist ja noch immer da. Er wird sie auch weiter begleiten. Auch beim alltäglichsten Tun. Das ist das Schöne! Jesus steht am Ufer und brät Fisch. Wo immer er den her hat, denn die Jünger haben ihren Fang ja noch gar nicht an Land gebracht. Aber Jesus sorgt eben auch weiter für die Seinen. Auch wenn deren Netze mal leer, deren Hände mal leer, deren Herzen mal leer ist. Er sorgt für uns und bringt seine Fülle in unsere Leere. Und dann fragt er auch Petrus, ausgerechnet Petrus, der ihn dreimal verleugnet hat: Hast du mich lieber als die anderen? Petrus wird ganz bedrückt: Nicht lieber, das will sich Petrus nicht anmaßen, aber lieb hat er seinen Jesus, sehr lieb. Dreimal fragt ihn Jesus, dreimal bestätigt Petrus. Damit kann er alles wieder gut machen, was er in der anderen Nacht, wo er dreimal geleugnet hat Jesus zu kennen, verbockt hatte. Die Uhren werden wieder auf Anfang gestellt. „Weide meine Lämmer“. Sagt Jesus. Er nimmt sein großes Vertrauen in Petrus nicht zurück. Er baut auf ihn. Schuld ist vergeben. Eine neue Zukunft steht offen. – Es war nach diesen 20 Kapiteln Johannesevangelium eigentlich schon vieles gesagt, aber längst noch nicht alles. Und dieses 21. Kapitel erinnert alle noch einmal daran: Jesus ist auferstanden, aber er ist dennoch da. Mitten im Alltag kreuzt er unsere Wege. Sieht, wo es uns schlecht geht. Schenkt einen neuen Anfang. Schenkt Vergebung. Und wenn wir mit leeren Händen, traurig und zweifelnd da stehen, wird auch uns irgendwo jemand begegnen, fremd und doch so vertraut, und uns erinnern: Jesus ist noch immer da. Er ist bei dir. Mit ihm bist du nicht verloren. –

 

Morgen ist das 21. Kapitel bei Johannes Predigttext. Gerne auch, wenn ihr mögt, in Neugalmsbüll um 8.30 Uhr nach unserer Vogelstimmenwanderung (um 8 Uhr) über den Friedhof – in Klanxbüll um 11.00 Uhr.

 

Bleibt behütet!

Haltet dem Herrn, eurem Gott,die Treue, so wie ihr es bisher getan habt

Diamantene Hochzeit

Erstellt: 27. April 2022

„Haltet dem Herrn, eurem Gott,die Treue, so wie ihr es bisher getan habt.“

 

Worte bei Josua 23,8, die Tageslosung für heute.


Letzten Donnerstag hatten meine Eltern Diamantene Hochzeit. 60 Jahre verheiratet. Was haben sie alles erlebt in dieser Zeit. Höhen und Tiefen. Nun geht es gesundheitlich nicht mehr so ganz gut.

 

Wacklig auf den Beinen sind sie geworden. Mein Vater fährt nur noch kleine Strecken mit dem Auto. Sie wissen nicht, wie lange sie ihre Wohnung noch behalten können und darin zurecht kommen. Besonders das Treppensteigen zur Waschmaschine, die im Keller steht, ist beschwerlich. Aber 60 Jahre haben sie nun schon miteinander bestanden. Und ich spüre, was das für ein Geschenk ist so lange noch die eigenen Eltern haben zu dürfen. Was wissen sie alles voneinander? Was haben sie miteinander erlebt an Gutem, und auch schwere Tage bestanden! Marmorstein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht – sie ist in diesen 60 Jahren wirklich so beständig und stark wie ein Diamant geworden. – Haltet dem Herr die Treue, sagt die Bibel. Gott hält auch in großer Treue an uns fest. Lässt uns nicht fallen. Wird nicht irre in seiner Liebe an uns. Und wir? Wie halten wir es mit der Treue zu Gott? Kann ich um Vergebung bitten und gleichzeitig anderen ihre Fehler immer wieder vorhalten? Kann ich mich über Gottes Liebe freuen , aber gleichzeitig lieblos leben? Kann ich hoffen, dass Gott mir ganz viel Zuwendung schenkt , aber selber wegschauen, wenn jemand mich um Hilfe bittet? Kann ich auf Gottes Herz hoffen, dass ich darin einen Platz habe, aber selber den, der da bettelnd auf der Straße sitzt, nicht in mein Herz einlassen? Kann ich Gott dienen in einem Ostergottesdienst und gleichzeitig Soldaten in den Krieg gegen die Ukraine schicken, wie das Putin praktiziert?? Kann ich selber hoffen, dass Gott mich hört, wenn ich klage, schreie oder mich freue – aber selber nicht hinhören, was Gott mir sagen möchte? Gott die Treue halten. Klingt leicht, und doch steckt so viel darinnen. Seit 54 Jahren ist mein Gott schon mit mir unterwegs. Und noch immer habe ich das Gefühl, er ist da, hat sich nicht einfach abgewandt, obwohl ich ihn oft genug enttäuscht habe. Was für eine Treue Gottes! Gott – du bist einzigartig! Schau gütig auf meine Fehler und Versäumnisse, auf meine Schuld! Verlass uns bitte nicht! Deine Treue hält uns über Wasser! –

 

In dem Sinne: bleibt behütet!

Zum Sonntag nach Ostern

Die Osterkerze in der diesjährigen Osternacht in Neugalmsbüll letzten Sonntag

Erstellt: 23. April 2022

Er war nicht da. Wollte nicht oder hat es verpasst, hatte zu tun, wollte ausschlafen oder einfach mal seine Ruhe. Und blieb fern. Aber dann geschah das Unerwartete: alle kamen zu ihm und sagten: Mensch, du hast was verpasst! Es war so besonders und so schön! Und Jesus war gegenwärtig! - Wow. Der Traum eines Pastors, eine Pastorin. Dass wir das manchmal sonntags erleben. Dass so davon erzählt wird denen, die es verpasst haben: Mensch, der Gottesdienst: das ging mir nahe. Das war schön. Und vor allem: ER war dabei! ER – Jesus! Das ist das Wichtigste! – Thomas, einer der Jünger Jesu, war am Ostersonntag nicht bei den anderen, als Jesus ihnen erschien. Warum auch immer. Aber er bekam davon erzählt. Aber das reicht ja nicht, wenn andere mir erzählen vom Gottesdienst und wie das war. Ich muss es schon selber erleben. So geht es Thomas. Auch dass Jesus wirklich erschienen ist, das kann er nicht glauben. Ich will ihn, ich muss ihn selber sehen. Und sogar mehr noch: ihn befühlen, seine Wunden berühren um sicher zu sein: es ist kein Gespenst. Er ist es. Er lebt wirklich. Er ist noch immer bei uns! So denkt, so spricht Thomas! - Und Jesus erfüllt ihm den Wunsch.

 

Einen Sonntag später. Wieder sind alle zusammen. Dieses Mal ist auch Thomas dabei. Und Jesus kommt zu ihm. Extra für Thomas kommt er. Und er, der sich am Ostermorgen noch nicht berühren ließ, erlaubt Thomas sogar seine Wunden zu befühlen. Damit Thomas glauben kann! – Aber Thomas braucht das jetzt gar nicht mehr. Er fällt auf die Kniee. Und er sagt: „Mein Herr und mein Gott!“ Das hat noch nie jemand zuvor zu Jesus gesagt. Nicht so explizit. Thomas merkt es womöglich als allererster: dass Jesus nicht einfach Messias oder Gottes Sohn, sondern dass er letztlich Gott selber in Person ist. „Mein Herr und mein Gott!“ – Und Jesus sagt noch: „Selig, die nicht sehen und doch glauben.“ Ist das ein Tadel an Thomas? Ich denke vielmehr eine Einladung an uns: wie Thomas Jesus als unseren Herrn zu entdecken und zu finden und zu bekennen, auch wenn wir nicht einfach Jesus anfassen, berühren, leibhaftig zu Gesicht bekommen. Und doch müssen wir etwas sehen um glauben zu können: Zeichen, Spuren Gottes, Spuren seiner Liebe in dieser Welt. Wir müssen etwas spüren von Vergebung, Hoffnung, Beistand, Nähe. Glauben nur auf Hörensagen hin. Nur auf das hin, was andere erlebt haben: das geht nicht. Das erwartet auch Jesus nicht. Er ist ja noch immer am Wirken mitten unter uns. Wir müssen nur hinschauen. Und erst recht will Jesus durch uns wirken, dass andere spüren: ER ist ja wirklich da und hat mich nicht vergessen! – Seid gespannt und bereit auf eure Begegnungen mit Jesus! Er ließ Thomas nicht links liegen – und er lässt auch uns nicht links liegen!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – Karsamstag, 16. April 2022

Sonnenaufgang

Erstellt: 16. April 2022

So Still,

dass jeder von uns wusste,

das hier ist, für immer,

für immer und ein Leben

und es war so still,

dass jeder von uns ahnte,

hierfür gibts kein Wort,

 

das jemals das Gefühl beschreiben kann.

So still, dass alle Uhren schwiegen,

ja, die Zeit kam zum erliegen,

o still und so verloren gingst du fort,

so still und so verloren gingst du fort.

Ich hab so viel gehört und doch kommts niemals bei mir an,

das ist der Grund warum ich Nachts nicht schlafen kann,

wenn ich auch tausend Lieder vom Vermissen schreib,

heisst das noch nicht das ich versteh,

warum dieses Gefühl für immer bleibt.

 

Mit diesem Lied reflektiert Jupiter Jones den Tod seiner Mutter bei einem Autounfall. Die Stille danach. Wenn etwas Unfassbares passiert ist. Und das Leben mit einem Schlag ein anderes ist. Es braucht Zeit. Die längst nicht alle Wunden heilt, aber mithilft, dass Wunden langsam vernarben können. Es braucht Zeit und Stille. In der wir erst langsam wieder zu uns finden, wieder einen Weg erahnen, wo wir jetzt noch gar nicht wissen, wie es weitergehen soll. Der Verlust bleibt. Aber Hoffnung kann wieder keimen. Ein erstes Lächeln sich irgendwann wieder in unser Leben schleichen. Die Erinnerung nicht mehr nur schmerzhaft sein, sondern von ganz viel Dankbarkeit durchdrungen. Und aus der Lebensmüdigkeit wird ein trotziges: „es muss weitergehen. Und du hättest es nicht anders für mich gewollt!“ – Es braucht Tage , Momente wie diese Stille des Karsamstages. Jesus im Grab. Die Jünger daheim. Jede, jeder hängt den eigenen Gedanken nach. Tränen fließen. Sätze fangen an mit: Wisst ihr noch? Dann wieder Schweigen.

 

Es braucht Zeit. Bis aus dem Dunkel des Grabes neue Hoffnung entspringt. Trauer zu Trost wird. Freude ins Leben einzieht, die um den Sieg über den Tod weiß. Um ein neues Erwachen aus tiefem Schlaf. Um ein Erblühen mitten im Winter. Dann werden wir rufen und singen und tanzen: Er ist auferstanden. Er ist wahrhaftig auferstanden. Dann gewinnt das Wort „Wiedersehen“ eine neue Bedeutung! Und wir feiern: Ostern!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – Karfreitag 15. April 2022

In der Grabeskirche zu Jerusalem

Erstellt: 15. April 2022

„Da sprachen sie untereinander: Lasst uns den Rock des Gekreuzigten nicht zerteilen, sondern darum losen, wem er gehören soll.“ (Johannes 19,23). Würfelnde Soldaten. Nur eine kleine Szene inmitten des Kreuzigungs-Szenarios. Aber ich bleibe an dem Bild hängen. Da sterben Menschen am Kreuz einen qualvollen Tod. Und zu ihren Füßen sitzen Soldaten auf dem Boden und werfen Würfel. Sind ganz ins Spiel vertieft. Für sie geht es nicht um viel: die wenigen Habseligkeiten, die die drei zum Tode Verurteilten zurücklassen am Kreuzesstamm. Immerhin.

 

Bei Jesus ist es ein langes Gewand, aus einem einzigen Stück Stoff gewebt. Das war etwas Besonderes. Sie werfen das Los, würfeln vielleicht mit diesen kleinen, aus Knochen hergestellten Würfeln, die es zur Römerzeit gab. Sehen sie das Elend über sich? Den Todeskampf der drei Verurteilten? Das Leiden von Jesus, der doch niemandem etwas Böses getan hatte? Haben sie nicht so viel Anstand mit ihrem Spiel zu warten, bis die drei gestorben sind? Und nicht ihren Besitz schon zu verlosen, so lange sie noch am Leben sind? Aber was gehen sie diese Fremden an! Ihr Leben geht weiter. Was man haben kann, sollte man mitnehmen. So hoch ist der Soldatensold nicht. Eine kleine Aufbesserung der eigenen Lebensverhältnisse sollte man nicht abschlagen. Sind das ihre Gedanken? Und ich so? Da tickern die Bilder aus der Ukraine über den Fernseher. Unglaubliches Leiden der Menschen. Massaker, an Unschuldigen verübt. Ich schaue hin. Aber manchmal stehe ich auch auf. Gehe ans Telefon. Gehe meinen Alltagsgeschäften nach. Freue mich an meinem Abendessen. Rede mit meinen Kindern. Plane die Osterfeiertage. Mein Leben geht einfach weiter – wo dort Leben stehenbleibt, vor Trümmern steht, zerstört wird. Ich sorge mich über – ja, oft genug: Nebensächlichkeiten. Debattiere über steigende Preise. Sorge mich vor der Nebenkostenabrechnung in einigen Monaten. Während zeitgleich Menschen sterben. Ihre Liebsten verlieren. Ihren ganzen Besitz in Flammen aufgehen oder in Trümmern verschüttet sehen. Gleiche ich da nicht auch iesen Soldaten unterm Kreuz, über die ich eben noch den Kopf geschüttelt habe: wie kann man nur? Die Würfel sind gefallen. Einer der Soldaten nimmt sich das Gewand von Jesus und macht sich davon. Am Kreuz wird noch immer gestorben. Der Würfel hier fällt erst später. Und der Groschen auch. Dass tot nicht tot heißt. Dass nie wieder jemand so einsam, so verzweifelt sterben muss. Dass eine Hoffnung geboren wird, die nicht mehr aus der Welt fortzudenken ist. Dass der Tod endgültig ausgespielt und das Leben gewonnen hat: das alles kann jetzt noch niemand ahnen. Aber am Ostermorgen bricht sich die neue Erkenntnis Bahn. Der Soldat gewinnt ein neues Gewand. Wir alle gewinnen noch mehr: ein neues Leben! Und müssen dazu nicht erst gewinnen im Würfelspiel.

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – Gründonnerstag, 14. April 2022

Abendmahlssaal

Erstellt: 14. April 2022

Halt dich an mir fest, wenn dein Leben dich zerreißt

Halt dich an mir fest, wenn du nicht mehr weiter weißt

Ich kann dich verstehn

Halt dich an mir fest, weil das alles ist was bleibt.


Ein Lied von der Gruppe „Revolverheld“. Eigentlich eines der klassischen Liebeslieder. Gestern erklang es ganz neu. Als Osterlied. Im RTL-Event: Passion, in dem die Passionsgeschichte neu erzählt wurde mit Songs, die wir sonst aus anderen Zusammenhängen kennen. Ich hab nicht von Anfang bis Ende geschaut, sprang bisschen hin und her, einiges war auch noch zu tun … Aber eine gute Freundin, die es sich ganz angeschaut hat, war total ergriffen. Stark, wenn so etwas passiert! Und darum ein großes Dankeschön an RTL und dieses besondere Projekt. Denn die Geschichte, diese alte Geschichte um Jesus, auch um sein Ende und den Neubeginn: will uns immer wieder neu ergreifen.

 

Es geht ja um uns. Es geht darum, dass da in den Stürmen des Lebens. Ein Halt bleibt. Jemand an unserer Seite. Eine Hoffnung, die nicht zuschanden werden lässt. Eine Zukunft, die aufleuchtet. Ein Trost, der Herzen berührt. Eine Liebe, die es wert ist: ihr zu trauen und sie zu leben – aller Kälte, allem Hass und aller Dunkelheit zum Trotz. – Sie sitzen zusammen, die Freunde Jesu, zum Abendmahl. Der Tisch ist gedeckt. Kerzen flackern. Großartiges Essen: Lamm und Brot, Gemüse und Wein. Und dann Jesu Geste: wie er den Brotlaib zerreißt und sagt: Mein Leib – für euch gegeben. Und wie er ihnen den Becher mit Rotwein reicht: Mein Blut – für euch vergossen. – Und wie er von Schuld spricht und Versagen: einer wird mich verraten! Du, Petrus, wirst die Nacht dreimal leugnen mich zu kennen. Und wie er dennoch die Hoffnung hoch hält: Gottes Liebe bleibt. Auf Schuld antwortet Gott mit Vergebung. Und aus Tod wird neues Leben: Einmal werden wir in Gottes Reich alle wieder am Tisch sitzen. Haltet euch einfach an mir fest, an meinem Wort, an Brot und Wein. – Und dann geht Jesus mit den Freunden in den Garten Gethsemane. Setzt sich abseits. Betet. Er allein mit seinem Gott. Lass diesen Kelch an mir vorübergehen – aber dein Wille geschehe! Und ein Engel stärkt ihn. „Halt dich an mir fest, wenn das Leben dich zerreißt“. Und so erfahren es an Ostern die Freunde, auch Petrus: Gott ist da. Jesus bleibt nahe. In allen Stürmen. In aller Not. Gegen den Augenschein ist er da. An ihm können wir uns festhalten in diesem Leben, das manchmal so schön und manchmal so brutal ist. – Könnt ihr es hören in Mariupol: Haltet euch an Jesus fest – er ist da, wenn das Leben euch zerreißt? – Kannst du es hören, der dir die Mutter, der Vater, der Ehepartner, dein Kind so sehr fehlt, weil der Tod euch getrennt hat? Jesus ist da, wenn das Leben dich zerreißt, er hat dich nicht vergessen? Kannst du es hören in der einsamen Nacht, in der du grübelst, wie alles werden soll: Halt dich an Gott fest, er ist da? Kannst du es hören mit der Krankheit, die dir so viel genommen hat: deinen Glauben kann sie dir nicht einfach nehmen. Jesus ist da, er geht mit dir mit alle Wege, und wenn er da ist, ist nichts verloren? Können wir es einander zusingen, zusprechen, vor allem: leben – so wacklig unsere Knie manchmal sind, so angeschlagen unser Glauben, so zerbrechlich unsere Liebe: Halt dich an mir fest, ich bin da für dich, wir sind Schwestern und Brüder dieses einen liebenden Gottes und können nur zusammen das Leben bestehn, so will uns Gott haben? – Halt dich an mir fest. Ein starkes Finale gestern im Musicalevent. Aber genau das, was Jesus uns vorlebt und schenkt: Halt dich an mir fest: an dem Stück Brot, am Kelch, am Glauben: Ich halte dich! Das gilt! Bleibt behütet auch an diesem Gründonnerstag!

 

Foto: Hinter der Tür liegt er – der Abendmahlssaal, wie er bei einem Stadtrundgang in Jerusalem den Pilgernden gezeigt wird. Ob es wirklich dieser Ort war, wissen wir nicht genau. Aber es ist ein berührender Moment dort zu stehen und die Worte zu hören: Christi Leib – Christi Blut: für dich!

Gedanken in der Passionszeit – 13. April 2022

Ann-Katrin Arnold vom Friedhofswerk: Luca hilft beim Befestigen der Plakate

Erstellt: 13. April 2022

Er ist eröffnet – der diesjährige Kreuzweg auf dem Klanxbüller Friedhof. In 11 Stationen stellen die Konfirmandinnen und Konfirmanden Akteure der Passionsgeschichte in kleinen Steckbriefen vor: der, der für Jesus in Jerusalem einen Saal für die Abendmahlsfeier zur Verfügung stellte. Pontius Pilatus, der Jesus verurteilt, Judas, der ihn verrät, Petrus, der dreimal leugnet Jesus zu kennen, Simon, der für Jesus das Kreuz trägt, der Hauptmann unter dem Kreuz, der auf einmal sagen muss: Das ist wirklich Gottes Sohn gewesen – aber auch: Josef, der ein Grab für Jesus zur Verfügung stellt, die Mutter Maria, die würfelnden Soldaten unter dem Kreuz, die um die Kleidung von Jesus würfeln, Maria Magdalena, seine engste Freundin, und der Thomas, der an Ostern Jesus selber sehen muss um alles glauben zu können. An einigen Stationen darf man nicht nur Infos der Konfis lesen, sondern auch noch etwas tun: mit Lippenstift einen Kussmund malen (weil Judas Jesus mit einem Kuss verriet), oder etwas in ein Friedensbuch notieren, einen Friedenskranich mitnehmen, einen Engel an einem Grab als guten Wunsch ablegen, einen Gedanken notieren: was wir sehen müssen um glauben zu können oder sich mit Salböl ein Kreuz auf die Hand malen. Einmal darf man auch würfeln um einen Schokoladenosterhasen, und für Kinder gibt es außerdem ein kleines Buch mit der ganzen Geschichte, das sie mitnehmen dürfen. Sie waren erfindungsreich, die Konfirmandinnen und Konfirmanden: einige schrieben die Plakate mit schöner Handschrift. Bent fand ein anschauliches Bild von Pilatus. Marie faltete jede Menge Kraniche. Tim fand heraus, dass es zwei Jünger gab mit Namen Judas: Iskarioth und Taddäus mit Beinamen, und dass Taddäus, der, der Jesus nicht verriet, auch als Patron für Kranke gilt und er in diesen Fällen auch gerne als Helfer angerufen wird. –

 

Judas ist ja sowieso eine schillernde Person:

Mensch – Judas – was brachte dich dazu? 20 Silberlinge bekamst du für den Verrat von Jesus.

Mensch – Judas, was brachte dich dazu? Du warst sein Freund. Hast gesehen, wie Jesus heilte und half. Wie er predigte von Gottes Liebe.

Mensch – Judas. Warst du enttäuscht? Wolltest du – mehr von Jesus? Dass er politischer redet? Entschiedener vorgeht? Die Gewalt der römischen Besatzer mit Gegengewalt beantwortet? Die Römer endlich aus Israel vertreibt? – Ich kann verstehen. Ich leide auch manchmal darunter, dass Gott – so wenig tut. So scheint es. Gegen den Krieg in der Ukraine. Gegen das Unrecht in der Welt. Jesus wählt einen anderen Weg. Den der wehrlosen Liebe. Er will Herzen gewinnen. Er will den Leidenden nahe kommen, indem er selber Leiden auf sich nimmt. Indem er zeigt, was Menschen ertragen können und wie Gott gerade bei denen, die so leiden müssen, ist!

Mensch – Judas – was hast du getan? Und doch – durch dein Wirken hast du alles erst in Gang gesetzt. Dass Jesus am Kreuz die Sünden der Welt trug, auch deine – auch meine! Dass er an Ostern den Tod besiegt und uns so viel Hoffnung gibt. Musste das alles so kommen? Warst du in deinem abgründigen Tun doch immer noch ein Werkzeug Gottes? Oder hat Gott bei dir wieder einmal bewiesen: er kann aus dem Bösesten noch etwas Gutes entstehen lassen. Böses in Segen verwandeln?

Mensch – Judas. Mit einem Kuss hast du Jesus verraten. War das der Tiefpunkt – einen Kuss als Zeichen zu missbrauchen? Oder war es ein Kuss von Herzen? Hast du so gehandelt, gerade weil du Jesus liebtest?

Ach Judas. Du hast dir am Ende aus Scham das Leben genommen. Ich glaube, aus der Liebe von Jesus bist du niemals herausgefallen. Auch für dich bat Jesus doch am Kreuz: Vater, vergib ihnen. Sie wissen nicht, was sie tun!

 

Ihr Lieben, besucht doch mal den Kreuzweg der Konfis und macht mit bei den Aktionen. Die Jugendlichen würden sich sehr freuen! Und: bleibt behütet!

 

LG Gerald

Gedanken in der Passionszeit – 12. April 2022

Auf unserem Flohmarkt im Eckhof zugunsten der Humanitären Hilfe Nord von Menschen aus der Ukraine gemalt!

Erstellt: 12. April 2022

Da ist Jesus endlich mit seinen Jüngern in der heiligen Stadt Jerusalem angekommen – und was tut er? Er randaliert! Pardon, aber so muss man das nennen, oder: er stößt die Tische der Händler im Tempel um, im Johannesevangelium treibt Jesus sogar mit einer Gerte regelrecht die Händler aus dem Tempel heraus. Jesus – so ganz anders, als wie wir ihn sonst so kennenlernen, von wegen für so viele ein gutes Wort, sanftmütig und von Herzen demütig. – Aber gerade darum ist mir auch diese Geschichte von Jesus so wichtig. Manchmal kann man nicht einfach schlucken. Manchmal muss man auch mal mit der Faust auf den Tisch hauen. Manchmal muss man deutlich machen, wo eine Grenze überschritten ist. Dazu macht Jesus Mut. Und so richtig es ist, in der Nachfolge Jesu die andere Wange hinzuhalten und lieber Gewalt zu erdulden als selber zu Mitteln der Gewalt zu greifen: manchmal gibt es Situationen, da werden wir anders nicht mehr gehört, da können wir vielleicht sogar ein größeres Unrecht nur so abwenden. Will uns das dieses Geschichte zeigen? Und schon sind wir mitten drin in ganz anderen Fragen, die doch dazu gehören: Darf man sich als Christ wehren, sogar mit Gewalt und Waffen, gegen andere Christen, die aggressiv und übergriffig einfach ein Land überfallen und bombardieren?

 

Heißt zulassen nicht mittun, mitschuldig werden an der Gewalt und dem Unrecht, das täglich passiert? Ich weiß nicht, was Jesus den Kämpfenden in der Ukraine sagen würde. Es kann nur jede, jeder genau hinhören und mit dem eigenen Gewissen entscheiden. – Noch etwas lese ich in der Geschichte von der Vertreibung der Händler aus dem Tempel: Es geht um ganz grundsätzliche Fragen: ist Glaube für Geschäfte da? Geht es um Einnahmen und Profit? Oder sollte es nicht um ganz anderes gehen: Vertrauen in Gott. Und der Kraft göttlicher Liebe! Dafür der Tempel und die Kirchen. Horte eines auf Akzeptanz und Achtung, Annahme und Liebe basierten Zusammenlebens, in dem niemand aus finanziellen Gründen ausgeschlossen bleibt … Ist unser Kirchensteuersystem wirklich das geeignete Mittel einer Kirchenmitgliedschaft? Ich habe meine Zweifel … – Ach Jesus, ich kann gerade gar nicht all den Gedanken folgen, die diese Geschichte anstößt. Ich finde dich da so erfrischend menschlich. Dir platzt die Hutschnur. Das darf und muss auch mal sein! Danke dafür! – Und ihr – bleibt behütet!

 

Foto: Auf unserem Flohmarkt im Eckhof zugunsten der Humanitären Hilfe Nord von Menschen aus der Ukraine gemalt!

Gedanken in der Passionszeit – 11. April 2022

 Erstellt: 11. April 2022

Esel

Esel

 

Seid getrost und unverzagt, alle, die ihr auf den Herrn harret. (Psalm 31,25).

 

Ich liebe diese biblische Sprache, und ganz besonders diese Kombination von „getrost“ und „unverzagt“, wie sie nicht nur hier in den Psalmen, sondern etwa auch bei Josua, der in die Nachfolge von Mose rückt, vorkommt. „Getrost und unverzagt“ – das will der Glaube uns schenken: Trost und Mut, Entschlossenheit. Weil wir spüren dürfen, dass wir nicht alleine da durch müssen, sondern Gott bei uns ist. Weil wir einen großartigen Verbündeten haben und zugleich den, der Zeit und Ewigkeit in Händen hält. Und der auf uns baut und uns etwas zutraut. „Seid getrost und unverzagt“. – Gestern waren wir etwas aufgeregt, was wir Paul zutrauen können. Paul, dem Esel von Bente Lück, die beide gestern bei uns in den Gottesdiensten zu Gast waren. In den Anhänger ging Paul sehr bereitwillig. Für seinen Einzug in die Horsbüller Kirche brauchte es etwas Überredungskünste. Dann ließ er sich aber vorne im Chorraum sehr willig nieder. Na ja, gegen Ende reichte es ihm, und er gestaltete einen feierlichen Auszug. Und dann das gleiche in Galmsbüll nochmal. Er hielt großartig durch und strahlte so eine Eselsruhe und ein Getrostsein aus. Und predigen tat er ja auch noch. Über den Einzug Jesu in Jerusalem und die Begeisterung der Menschen. Über den Herrn, der selber so getrost all dem entgegensah, was auf ihn zukam. Im Garten Gethsemane auch mal zagend, bei seinem Ruf am Kreuz „Warum hast du mich verlassen“ auch ganz schön verzweifelt. Das dürfen wir Menschen auch, wir dürfen auch als Glaubende Angst haben und das auch zeigen. Aber dann wieder wuchs Jesus durch die Kraft des Glaubens über sich hinaus, kümmerte sich um einen verletzten Soldaten, blieb aufrecht im Verhör vor Pilatus, betete am Kreuz noch für seine Peiniger und legte seinen Geist in Gottes Hände. Und Gott sei Dank gibt es dann noch Ostern! Dieses Fest gibt uns Christenmenschen erst den Grund, auch angesichts des Todes nicht zu verzweifeln! –

 

Kommt gut durch diese ganz besondere, diese Karwoche! Und bleibt: getrost und unverzagt!

Gedanken in der Passionszeit – 9. April 2022

Kleiner Blick auf einen der Stände, die gestern bereits aufgebaut wurden.

Erstellt: 10. April 2022

„Der Himmel ist durch das Wort des Herrn gemacht und all sein Heer durch den Hauch seines Mundes.“ – Psalm 33,6.


Gott spricht – und es geschieht. So ist es mit dem Himmel. Und so ist es mit allen Geschöpfen, die da sind. So hat Gott auch dich und mich ins Leben gerufen. Weil er das so wollte. Und alles gemacht, was da ist. Alles verdankt sich seinem Wort – seinem großen „Ja, dich soll es geben!“ – Wie heißt es in einem wunderschönen Lied: „Du bist gewollt, kein Kind des Zufalls, keine Laune der Natur“.

 

Gott will dich. Und darum ist es gut, dass du da bist. Und du darfst dieses Geschenk Leben annehmen und das Beste daraus machen. Gott hat mit dir ganz viel vor. Du gründest in einer tiefen Liebe. Erfüllung finden wir Menschen, wenn wir etwas von dieser Liebe Gottes weitergeben können. Gerade auch, wenn uns die weltpolitische Situation so fassungslos macht. Heute ist so ein Tag. Menschen haben wochenlang einen Basar vorbereitet. Alles handmade-Sachen – liebevoll gemachte Sachen. Gestrickt, geschnitten, geklebt, gehäkelt, gesägt, gebacken. Und so startet um 13.00 Uhr im Eckhof in Galmsbüll ein österlicher Basar, dessen Erlös ganz der Humanitären Hilfe Nord für die ukrainischen Gäste, die wir hier in Nordfriesland haben, die diesem schrecklichen Krieg entfliehen konnten, zur Verfügung gestellt wird. Und es gibt drumherum ein buntes Programm: Ponyreiten, Spiele für Kinder, Bastelaktionen, Livemusik, Kaffee und Tee, Würstchen und Kuchen. – Wir freuen uns auf euch!

Bleibt behütet!

 

Foto: Kleiner Blick auf einen der Stände, die gestern bereits aufgebaut wurden.

Gedanken in der Passionszeit – 8. April 2022

Stadion in Barcelona

Erstellt: 08. April 2022

Es gäbe so vieles zu kommentieren – die verpasste Gelegenheit zur Impfpflicht. Die Diskussion über ein Gas-Embargo gegen Russland. Aber verzeiht, dass ich noch ganz beseelt bin vom gestrigen Abend: keine Polit-Talkshow, sondern Fußball. Mein Verein von Kindheit an. Die Eintracht. Gegen den großen FC Barcelona. Mit einer Jugendgruppe war ich vor fünf Jahren in Barcelona, und wir waren im Camp Nou: Was für ein Stadion, und was für ein großer Fußballverein.

 

Also: der Fußballabend gestern war magisch, endlich mal wieder auch übertragen bei RTL, ein packendes Spiel, dicke Torchancen meiner Eintracht, die mich in dieser Saison ja bisher längst nicht immer mit großer Fußballkost verwöhnt hat, mit etwas Glück hätten sie dieses Mal noch deutlicher in Führung liegen können nach einer Stunde. So war es das eine Traumtor, das am Ende nicht zum Sieg reichte. Aber immerhin: noch lebt die Hoffnung fürs Rückspiel. Auch wenn es kaum zu erwarten ist: der krasse Außenseiter gegen das Topteam! Aber im Fußball, ihr wisst schon: ist ganz vieles möglich! Und aufstecken gilt nicht! – Und egal wie es am Ende ausgeht: dieser Abend gestern war alles Mitfiebern schon wert! – Im Glauben übrigens ist noch mehr möglich: alles, sagt Jesus an einer Stelle: Alles ist möglich dem, der glaubt. Die Bibel ist ja voller Stories, wo der Underdog gegen den Großen besteht. Der kleine David gegen den großen Goliath. Das kleine Volk Israel gegen das große Ägypten. Die hilflose Frau gegen die Männer mit Steinen in der Hand. Der Aussätzige gegen die Übermacht dieser Krankheit. Die Fischer im kleinen Boot gegen den gewaltigen Sturm. Wunder geschehn. Und Gott ist der Beistand der Kleinen! Ich denke gerade an jemand, der eine schwere Krankheit durchmacht. Ich denke an das Volk, das sich gegen die riesige Atommacht gerade so mutig verteidigt. Ich denke an den Jugendlichen, der von so vielen kleingemacht wird jeden Tag und sich trotzdem sein Herz für das Leben und die Menschen bewahrt. Manchmal kann so ein Fußballspiel auch einfach Mut machen: im Leben zu kämpfen. Nichts zu früh verloren geben. Und noch mehr: zu glauben, zu hoffen, zu lieben bei allen Herausforderungen, die warten. Nichts ist verloren, wenn Gott an deiner Seite steht und du Hoffnung hast!

 

Bleib behütet!

 

Foto: So haben wir das Stadion in Barcelona damals gesehen!

Gedanken in der Passionszeit – 7. April 2022

Adventskranz

Erstellt: 07. April 2022

Selber konnte er als ältestes von sieben Kindern nach dem frühen Tod des Vaters nur studieren, weil einflussreiche Hamburger Persönlichkeiten ihm das Studium finanzierten. Mit 24 Jahren wurde er dann Hamburger Oberlehrer an der Sonntagsschule für arme Kinder in St. Georg. Ein Jahr später gründete er das „Rauhe Haus“, eine Einrichtung, die Kindern auf der Straße ein Zuhause anbot in einem familienähnlichen Zusammenhalt in Wohngemeinschaften von Lehrenden und Kindern. – Dort hat er so nebenbei dann auch noch den christlichen Adventskranz erfunden, mit dem er in den Kindern, die meist von christlichem Glauben noch gar nichts wussten, etwas Vorfreude auf Jesu Geburt wecken wollte. 1848 ruft er seiner Kirche auf dem Kirchentag in Wittenberg in Erinnerung, wie sehr nötig soziales Engagement für die Kirche Jesu Christi sei. Er verpflichtete sie auf die „Innere Mission“: sich um die Not der Menschen auch vor Ort in den Gemeinden zu kümmern und dabei Verkündigung des Evangeliums und tatkräftiges Handeln und Einstehen für soziale Gerechtigkeit und gegen Armut als zwei Seiten einer Medaille zu erkennen:

 

Reden von Christus und entsprechendes Handeln gehören für einen Christenmenschen zusammen. Heute auf den Tag vor 141 Jahren, am 7. April 1881, ist Wichern gestorben. „Hören und Tun“. Manchmal will ich tun, handeln, jetzt sofort, etwas tun für die Flüchtlinge, für den Frieden, sammele Kleidung und Spielsachen, spende Geld. Irgendwie tut es gut etwas tun zu können bei den schrecklichen Bildern in der Ukraine von diesem menschenverachtenden Krieg, der gegen ein ganzes Volk geführt wird. Dann wieder denke ich: erst mal sortieren, was auch wirklich den Menschen dort hilft, was jetzt gebraucht wird. Manchmal ist es gut nicht sofort handeln zu müssen, vor allem, wenn ich damit bloß mein Gewissen beruhigen will, sondern zu prüfen, abzuwägen, sich einen Überblick verschaffen. Neulich sagte mir jemand: Er habe noch nichts gespendet, er warte erst noch auf das Projekt, wo er merke: Das ist seines, hier ist er gefragt und gefordert, und dann will er mit ganzem Herzen geben. – Manchmal ist es auch anders herum. Ich höre viel und vergesse das Tun. Bereite Gottesdienste vor, begleite Trauerfeiern, kümmere mich um Konfirmandenunterricht, aber vergesse den Nächsten, die Nächste, die mich gerade ganz woanders brauchen würde: vielleicht die Nachbarin, die keinen hat, der ihr mal einkauft. Die Flüchtlingsinitiative, die gerade eine Unterkunft klar macht und auch meine zwei zugegeben linken Hände dennoch hätte gebrauchen können: anpacken kann doch fast jede und jeder! Oder den Menschen, der dringend mal nach Flensburg zum Facharzt gefahren werden müsste. Manchmal diskutieren wir in Kirche so viel um hochtheologische Themen oder um Kirchenreformen und Gottesdienste und fragen gar nicht: wo werden wir eigentlich gerade von den Menschen gebraucht? – Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter stolpern der Priester und der Tempeldiener an dem, der überfallen wurde, vorbei – vielleicht, weil sie in Gedanken so sehr beim Gottesdienst waren, dass sie keinen Blick für ihn hatten, oder so in Eile wegen ihrer vielen so heiligen Dienste, dass sie für das Tun der Liebe keine Zeit fanden. Hören und Tun gehört zusammen! Das hat Johann Wichern praktiziert, aber nicht erfunden. Es steht schon in der Bibel. Etwa im Jakobusbrief: „Seid aber Täter des Wortes und nicht Hörer allein.“ (Jakobusbrief 1,22). Also: Seid ganz Ohr heute – und seid bei der Hand. Es gibt viel zu hören und viel zu tun.

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 6. April 2022

Konfiausflug

Erstellt: 06. April 2022

Letzter Samstag. Konfiausflug. Wir fuhren nach Hamburg. Und bevor es in und auf den Michel ging und dann noch auf dem Jahrmarkt, besuchten wir das Projekt Mitternachtsbus. Das Ehepaar Dams empfing uns dort an der Bundesstraße 101 am lila Bus und schaffte es eine recht muntere Konfirmandinnen- und Konfirmandengruppe wirklich zu faszinieren. Sie erzählten von ihrer Arbeit, wie das abläuft, wenn man abends gegen 20.00 Uhr startet, immer die gleiche Route, damit obdachlose und hilfesuchende Menschen auch wissen, wo sie warten müssen um eine warme Mahlzeit, ein Heißgetränk, einen Schnack oder eben auch weiterführende Hilfe:

 

die Vermittlung eines Übernachtsquartiers, die Herbeiholung ärztlichen Personals und anderes bekommen können. Keinen Abend blieb der Bus stehen, auch in der Coronazeit machten sie sich mit allen Abstandsregeln jeden Abend auf den Weg. Ein Team von 120 Ehrenamtlichen begleitet diese Arbeit, die immer zu viert eine Bustour übernehmen, so dass im Durchschnitt jede, jeder der Ehrenamtlichen eine Fahrt pro Woche begleitet. Die Jugendlichen sahen auf dem Weg durch die Stadt Menschen auf Matratzenlagern vor Kaufhäusern oder unter Brücken. Da bekamen die Worte von Heidrun Dams und ihres Ehemannes nochmal besonderes Gewicht: wie kostbar und wichtig diese Fahrten des Mitternachtsbusses jeden Abend sind. Falls sie sie noch nicht haben sollten – die beiden müssten dringend das Bundesverdienstkreuz überreicht bekommen. Stellvertretend für das ganze Team, das diese Arbeit schultert! Wie heißt es in der Bibel: Gott spricht: Ich werde meinen Engel vor dir her senden. (2. Mose 23,20) In Hamburg wird dieses Bibelwort jeden Abend eingelöst – allerdings sind es immer vier Engel! Übrigens: In unserer Konfigruppe gab es auch so einen Engel – einer reichte am Ende sein Bäckerbrötchen, gerade in Hamburg eingekauft, Frau Dams und meinte: sie könne das doch auf den Touren am Abend für einen ohne Obdach bestimmt gebrauchen! Na, da sind es jetzt schon fünf Engel!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 5. April 2022

Himmel

Erstellt: 05. April 2022

Butscha – deine Kinder liegen auf der Straße.

Butscha – sie wollten nur ihr nacktes Leben retten, irgendwie diesen Krieg überstehen.

Butscha - sie haben doch nur mal kurz den Bunker verlassen.

Butscha – sie saßen im Auto, auf dem Fahrrad, gingen zu Fuß und vollkommen unbewaffnet, als die todbringende Kugel sie traf.

Butscha – manche hatten sogar gefesselte Hände. Wehrlos erschossen, ermordet, hinterrücks.

Butscha – vor der Kirche ist ein riesiges Massengrab. Deine Söhne und Töchter liegen darinnen, ermordet von denen vom Brudervolk.

Butscha – die Menschlichkeit liegt zerschlagen irgendwo dort draußen auf den Straßen. Die Barmherzigkeit hat man zum Teufel geschickt.

Butscha – wie kann ein Mensch das ertragen: diese Bilder? Wie könnte aus solchem Unrecht je ein Vergeben erwachsen, Versöhnung eines Tages möglich werden?

Butscha – sie wollten dich zum gottlosesten aller Orte machen.

 

Es ist ihnen gelungen.

 

Aber doch nicht ganz. Denn Gott ist überall gegenwärtig in deinen Gassen. Noch immer. Und jetzt erst recht. Er liegt auf den Straßen. Er ist begraben in finsteren Gräbern. Er fließt aus Tränen tausender Gesichter. Er ist im Entsetzen all derer, die die Bilder sehen. Er ist da, wo Menschen leiden, und leidet mit, lässt zu, dass alles, für das er steht, mit Füßen getreten wird: Die Liebe, die Hoffnung, den Glauben. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“, betet Jesus am Kreuz. Und stirbt mit all denen in Butscha, die grausam zugerichtet sind.

 

Und wird auferstehen. Mit all denen, die im Leiden seine Schwestern und Brüder sind. Er ist schon dabei. Die Liebe steht auf. Die Gerechtigkeit wird aufstehen. Die Hoffnung wird eines Tages wachsen. Und Butscha wird niemals vergessen werden. Und die Menschlichkeit wird sich irgendwann wieder durch die Tür hineintrauen.

 

Butscha. Gott, sei bei deinen Kindern, die, die in deinen Mauern leben und die, die nun bei Gott leben.

 

Butscha – in dir hat Gott längst seine Hütte gebaut und wird bleiben. Und hält dich weinend im Arm. Ohne Worte. Mit unendlicher Liebe.

Gedanken in der Passionszeit – 4. April 2022

Sonnenaufgang an der Hütte

Erstellt: 04. April 2022

Für die fünfte Woche der Fastenaktion 2022 der evangelischen Kirche in Deutschland ist eine dramatische Geschichte aus dem Ersten Testament, Erstes Buch der Könige Kapitel 3, vorgeschlagen – unter der Überschrift: Knoten lösen: zwei Frauen, die in einem Haus zusammenleben, kommen mit einem neugeborenen Kind zum für seine Weisheit bekannten König Salomo und behaupten beide: „Das ist mein Kind!“ – Endlich erzählen sie ihre Geschichte – allerdings in zwei verschiedenen Versionen. Sie berichten, sie hätten kurz hintereinander ihr Kind bekommen.

 

Jede beschuldige die andere Frau, dass diese ihr eigenes Kind im Schlaf erdrückt hätte und dann der anderen Frau im Schlaf deren lebendes Kind weggenommen und zu sich genommen hätte und der anderen das gestorbene Kind in den Arm gelegt hätte. Nun soll der König richten und entscheiden, wem das lebende Kind gehört. – Heute wäre das einfach: DNA-Test, und alles geklärt. Damals schlägt der König eine – soll ich sagen: unkonventionelle? Eine vor allem unfassbar brutale Methode vor: er lässt sich ein Schwert bringen und schlägt vor das Kind einfach zu teilen und jeder Mutter eine Hälfte zu geben. Die eine willigt sogar noch ein – während die andere erklärt: lieber würde sie dann auf ihr Kind, das sie von Herzen liebt, verzichten und es ganz der anderen Frau überlassen, als zuzulassen, dass ihr Kind stürbe. Daraufhin weiß der König, wem dieses Kind gehört: die, die es bereit war loszugeben, damit es wenigstens überlebt. Und so legt er dieser, der wahren Mutter, das Kind in den Arm. Weiser König Salomo in dieser Geschichte vom Losgeben. Wahre Liebe kann verzichten. Das ist eine tiefe Weisheit. Wer seine Kinder liebt, der weiß, dass die Kinder ihren Eltern nicht gehören, dass das Kindeswohl über das eigene Wohl gehen muss. Mit dieser Einstellung schaffen es Eltern, die sich getrennt haben, Lösungen zu finden, wann wer Zeit mit dem Kind verbringen kann, Lösungen, die für das Kind gut sind. Mit dieser Einstellung schaffen es Eltern ihren heranwachsenden Kindern Freiheit zu geben und vor allem zuzulassen, dass diese ihren Weg durchs Leben finden und nicht den Vorstellungen der Eltern für sie folgen müssen. Momentan kommen auch Kinder und Jugendliche alleine, ohne ihre Eltern, aus der Ukraine nach Deutschland. Losgegeben von ihren Eltern, die nicht einfach mitkommen konnten, weil sie vor Ort gebraucht werden oder als Männer das Land gar nicht verlassen dürfen. Aber ihre Kinder wollen sie in Sicherheit wissen. Welch ein Trennungsschmerz – welch eine Entscheidung, wissend, sich vielleicht nie wieder zu sehen. Ein junger Mann kam an, den die Mutter davor bewahren wollte mit seinen gerade mal 16, 17 Jahren im Kampf zu fallen. Elternliebe gibt los, um dem Kind Lebenschancen zu geben! Ich muss aber auch an die andere Frau in der Geschichte denken. Die vielleicht aus Unwissenheit ihr Kind im Schlaf erdrückt hat und über diesen Schmerz nicht hinwegkommt, so dass sie nun auch keiner anderen Mutter mehr ihr Mutterglück gönnt. Nehmen wir den Schmerz derer immer genügend war, die gerade auf der Schattenseite des Lebens stehen? Die in so viel Schicksalsschlägen sehr bitter geworden sind? Oder sonnen wir uns so sehr im eigenen Glück, dass wir die anderen verlieren? Wie können wir helfen, dass ihr Schmerz – ja, wohl nie verheilen wird, aber vielleicht etwas weniger weh tut? Dass sie selber wieder anderen ihr Glück gönnen können, weil sie selber wieder etwas Glück verspüren? Der weise König Salomo hat mit seiner Art und großen Weisheit damals den Rechtsfall gelöst: die Mutter bekam ihr eigenes Kind wieder. Wenn er dann sich auch noch der anderen Frau angenommen hat und ihr einen Weg zeigte mit ihrem Schmerz umgehen und weiterleben zu können: dann hat er womöglich noch mehr Größe bewiesen. Die Bibel erzählt davon nichts. Aber die Bibel erzählt ja längst nicht immer alles – wir sollen diese Geschichten ja selber weiterdenken und mit Leben füllen. Eines aber macht die Bibel an vielen Stellen klar: dass Gott bei denen ist, die am meisten Hilfe brauchen! Keine Träne rollt, kein Herz schmerzt, ohne dass es Gott nicht mitfühlt. Wie viel Schmerz leidet Gott gerade an dieser Welt, wie sie ist!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 3. April 2022

Blick vom Michel auf unserem Konfiausflug nach Hamburg

Erstellt: 03. April 2022

Jesus sagt: Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben als ein Lösegeld für viele. (Matthäus 20,28)


Nicht dienen lassen, sondern dienen. Das ist Jesu Sendung. Das lebt er vor. Wir glauben, er ist der Sohn Gottes. Aber tauscht den Himmel ein gegen die Erde. Macht sich klein, wird ein kleines Kind wie wir an Weihnachten. Erlebt Kindheit, Pubertät, Erwachsenwerden. Er kommt nicht um zu rufen: Hier bin ich, huldigt mir! Sondern um zu helfen, hinzugehen, Menschen aufzurichten.

 

Und dann diese Szene kurz vor seiner Verhaftung, wo er auf dem Boden liegt vor seinen Freunden und ihnen die staubigen Füße wäscht. Er ist sich für keinen Dienst zu schade. Und das ist ein Beispiel an uns: es ihm nachzutun. Füreinander da zu sein mit den Gaben, die uns der liebe Gott mitgegeben hat. Uns auch da für keinen Dienst zu schade zu sein. Und wenn wir Hilfe brauchen, dürfen wir bitten: dienen und sich dienen lassen, je nachdem, wie es uns gerade geht: macht uns zu Menschen, Geschöpfen unseres Gottes, der selber mit so viel Liebe für uns da ist. Wie schwer fällt es manchem um Hilfe zu bitten. Zuzulassen, dass man gepflegt werden muss. Das entstellt uns nicht. Es macht uns zu den Menschen, wie sie Gott geschaffen hat. Und erst als Dienstgemeinschaft finden wir zu der schönsten Form menschlichen Zusammenlebens: eine, einer für die andere und den anderen da. Und Jesus ist für uns da, mit ganzer Kraft und Hingabe. Auch noch sterbend um uns zu zeigen: auch das gehört zum Menschsein dazu. Und wenn er es erträgt, dann dürfen wir es auch ertragen. – „Seht, welch ein Mensch“, sagt Pilatus, als er den geschundenen Jesus sieht. Er sieht die halbe Wahrheit: Jesus ganz und gar Mensch geworden im Leiden. Und zugleich Gottes Sohn, der jedem, jeder, der/die leidet, ein Gesicht gibt und seiner Solidarität versichert. – Seid einander zu Diensten. Seid für die da, die momentan so sehr vom Leiden gezeichnet, auf Hilfe angewiesen sind. Und bittet um Hilfe, wo ihr Hilfe braucht. Tut einander gut. Und der Himmel pulsiert mitten unter uns.

 

Seid behütet!

 

Foto: Gestern Blick vom Michel auf unserem Konfiausflug nach Hamburg.

Gedanken in der Passionszeit – 2. April 2022

Winter

Erstellt: 01. April 2022

Die Tageslosung für heute: „Gott ließ das Volk einen Umweg machen, den Weg durch die Wüste zum Schilfmeer.“ (2. Mose 13,18)


Der direkte Fluchtweg aus Ägypten wäre damals zur Zeit des Mose durch das Land der Philister gewesen – aber da hätten vermutlich gleich Kämpfe auf das Volk gewartet. So lässt Gott die Menschen einen Umweg gehen. – Umwege. Wie herrlich, wenn so ein Umweg Frieden bedeutet statt Kampf und Krieg. So ein Umweg wird jetzt auch gebraucht im Krieg von Russland gegen die Ukraine.

 

Vielleicht in Form eines Vermittlers, der beide Seiten zu einem Kompromiss führen kann. Umwege im Leben: die gibt es doch ganz oft: der eine dreht in der Schullaufbahn eine Ehrenrunde, die zweite ergreift einen Beruf auf dem zweiten Bildungsweg, der dritte verbringt erst einige Jahre im Ausland, bis er dann die Traumstelle in Deutschland angeboten bekommt, die vierte ist schon zum dritten Mal verheiratet, aber ist überzeugt: Jetzt ist es der Richtige. Umwege sind keine vertane, verlorene Zeit, sondern bedeuten kostbare Zeit zum Reifen, zum Erfahrung-Sammeln, zum Sich-Finden. Mancher findet auch erst auf Umwegen zu Gott, vielleicht durch eine tiefe Lebenskrise oder durch die Begegnung mit jemand, der einfach überzeugend war. - Ich muss auch an ein Paar denken: beide waren in Schulzeiten schon verliebt ineinander. Haben sich dann aus den Augen verloren. Andere Partner geheiratet, mit denen sie sehr glücklich waren. Jetzt sind beide schon verwitwet und sind sich auf einmal begegnet. Kein Zufall, da sind sie sich sicher. Einfach eine neue Chance. Sie sind nun zusammen, haben sich gegenseitig aus dem Tal ihrer Trauer herausgeholfen, haben wieder Lebensmut und gehen nun das meiste gemeinsam an. – Ich glaube fest: auf Umwegen liegt oft ein besonderer Segen. Gott weiß schon, was er tut!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit 1. April 2022

Grab

Erstellt: 01. April 2022

1. April vor 20 Jahren – das war der erste April ohne meine Oma. An dem Tag hatte sie immer Geburtstag. Oma, die für uns Enkel da war, mithalf Kreppel zu backen an Fasching, damit wir unsere Schulfreunde einladen konnten. Oma, die den besten Schokopudding mit der besten Vanillesoße kochte, und den gab es immer samstags. Oma, die uns gerne etwas zusteckte und bei der wir gerne übernachteten: das war immer aufregend. Oma, die Kinder einfach gern hatte und ihre Urenkel so knapp verpasste: unsere älteste Tochter war gerade unterwegs, als Oma starb. Der 1. April war immer ihr Geburtstag. Vor gut 20 Jahren ist sie gestorben. Heute muss ich an sie denken. Und ihr habt vielleicht auch so einen Herzensmenschen, der schon lange gegangen ist und doch seinen Platz in euren Herzen behält. Bis wir uns hoffentlich im Himmel einmal alle wiedersehen.

 

1. April. An dem Tag musste man schnell sein. „Dein Schuh ist offen“, „Über dir hängt eine dicke Spinne“, „Hast du ein riesiges Loch hinten in der Hose“, „Wie, weißt du nicht, dass wir heute die Mathearbeit schreiben?“ – Am 1. April kam es darauf an den anderen als erstes in den April zu schicken. Mit ernster Unschuldsmiene irgendwelche Sachen erzählen, die nicht stimmen, aber dem anderen einen riesen Schrecken einjagen. Und dann rufen: April, April! Das machte diesen Tag so besonders. „Es hat geschneit!“ – Wenn mir das gestern jemand zugerufen hätte, bevor ich aus dem Fenster geschaut hätte – ich hätte wohl als erstes „April, April“ gesagt und dann erst gemerkt, dass noch März ist. – Also, passt gut auf, was ihr heute erzählt bekommt. Aber wenn jemand sagt: Mensch, Gott hat dich lieb! Dann darfst du ihn beim Wort nehmen. Das ist kein Aprilscherz: Egal, was wir angestellt haben. Gottes Herz ist riesig groß für uns. So ähnlich eben wie das Herz von meiner Oma! –

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 31. März 2022

Backwerk

Erstellt: 31. März 2022

In den 80er Jahren war es einer der ganz großen Hits: Nenas 99 Luftballons. Der Song erzählt die Geschichte, wie es aus ganz nichtigem Anlass zum Krieg kommt: in dem Fall wegen Luftballons, die einfach in der Luft über Grenzen hinwegtreiben und einen Krieg auslösen, bei dem es am Ende „keinen Platz für Sieger“ mehr gibt. Heute ist der fünfte Donnerstag, an dem Krieg herrscht in der Ukraine. Und aus welchen Gründen auch immer Russland das Nachbarland Ukraine so übel überfallen hat – nichts rechtfertigt einen so brutalen Einfall in ein Land, in dem die Menschen einfach nur unbehelligt ihr Leben leben wollten, unter demokratischen Spielregeln und selbstbestimmt. Und wie immer die Sache ausgeht: die Menschlichkeit hat längst verloren in diesem Krieg, in dem die Zivilbevölkerung dermaßen leiden muss, in dem vor aller Augen so viele Menschenrechtsverletzungen durch den Angreifer geschehen, in dem nicht einmal ein Waffenstillstand, ein Tag Pause gewährt wird etwa den Menschen in Mariupol , in so verzweifelter Lage, und in dem die geringsten humanitären Zusagen schon am folgenden Tag wieder einkassiert werden.

 

Wie immer der Krieg ausgeht – das Wort Sieg wird man am Ende kaum in den Mund nehmen können, dafür ist der Preis so vieler Unschuldiger, die schon getötet wurden, so hoch. Und doch fiebern wir doch mit, dass am Ende sich wenigstens nicht die gemeine Aggression des Angreifers durchsetzt, der einem anderen Land dessen Freiheit und Selbstbestimmung nicht gönnt, sondern dass der Einsatz für eben diese Freiheit, für Menschenrechte, für Demokratie, für Werte, wie wir sie hier in Deutschland doch auch teilen mit den Menschen in der Ukraine, gewinnt. In der Bibel ist es der Riese Goliath, der den kleinen David herausfordert und am Ende unterliegt. Ein großes Schwert gegen eine kleine Steinschleuder. Und doch gewinnt die Schleuder. Und heute. Ich hoffe sehr auf David. Aber noch schöner wäre es, wenn die beiden gar nicht weiter kämpfen würden, bis einer unterliegt, sondern die Waffen weglegen würden, Krieg Krieg sein ließen, einen Kaffee trinken würden und ansonsten einander und alle anderen um sie herum einfach in Ruhe ließen. In der Bibel hat Jesaja diese Hoffnung in unnachahmliche Worte gefasst: einmal wird kein Volk mehr lernen gegen das andere Krieg zu führen! Was – wenn dieses „einmal“ heute begänne?

 

Bleibt behütet!

 

Foto: Dieses Backwerk begegnete mir in einer Bäckerei in Elmshorn, nahe am Bahnhof.

Gedanken in der Passionszeit – 30. März 2022

Schafe

Erstellt: 30. März 2022

Ich liebe es bei Jesus: dass er auch die kleinen Schritte sieht und zu würdigen weiß. Dass er niemanden übersieht: Nicht den kleinen Zöllner Zachäus im Baum, nicht die kleine Gabe der armen Witwe, nicht die Kinder, die zu ihm wollen mit ihren Müttern, nicht die Blumen auf dem Felde. Ich liebe es bei Jesus, dass er Mut macht einfach anzufangen. und die Verheißung gibt, dass aus kleinen Anfängen etwas Großes werden kann. So auch im Gleichnis vom Senfkorn, einer der Texte der diesjährigen Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland:

 

„Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das klenste unter den Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen.“ (Matthäus 13,31-32). Ob das gestern ein Senfkorn ist: die Gespräche der beiden Verhandlungsdelegationen von Ukraine und Russland, endlich wieder von Angesicht zu Angesicht? Mit der Ankündigung der russischen Seite, den Beschuss etwa von Kiew zurückzufahren? Mit dem Angebot der Ukraine auf die Nato-Mitgliedschaft zu verzichten, wenn das Land dafür Sicherheiten zugestanden bekommt? Mit der Aussicht, dass die beiden Präsidenten womöglich bald selber zum Verhandeln zusammenkommen? Wir müssen doch hoffen, die Menschen dort müssen doch hoffen, sonst ist alles ja ganz verloren. Und wir müssen beten darum, denn auch ein Gebet ist ein Senfkorn, wie es Jesus beschreibt. Und dann geschehen weiter Taten. Kleine, wunderbare: Flüchtlinge werden begrüßt, Räumlichkeiten in unseren Dörfern hergerichtet, die Grundschule macht einen Basar und spendet Hunderte Euro an die Ukrainehilfe, hier wird gesungen für den Frieden, dort demonstriert.

 

In einem Lied von Ludger Edelkötter und Alois Albrecht heißt es:

 

Kleines Senfkorn Hoffnung,

Mir umsonst geschenkt,

Werde ich dich pflanzen,

Dass du weiter wächst,

Dass du wirst zum Baume

Der uns Schatten wirft,

Früchte trägst für alle alle,

Die in Ängsten sind.

 

Kleine Träne Hoffnung

Mir umsonst geschenkt

Werde ich dich weinen

Dass dich jeder sieht

Dass du wirst zur Trauer

Die uns handeln macht

Leiden lässt mit allen allen

Die in Nöten sind

 

Viele Senfkörner Hoffnung wünsche ich uns allen in die Hände!

Bleibt behütet!

 

Foto: Alles muss klein beginnen …

Gedanken in der Passionszeit – 29. März 2022

Blick über die Alster in Hamburg

Erstellt: 29. März 2022

Gestern. Bahnhof Itzehoe. Eine Durchsage: Wegen eines angekündigten Suizids verzögert sich die Weiterfahrt bis auf weiteres. – Ein Moment der Stille im Abteil. Hier und da ein leises Aufstöhnen. Bei mir auch – hatte ich doch eigentlich in Hamburg einen Termin! Andere wollten in Urlaub, waren auf dem Weg zur Schule, zum Arbeitsplatz, zu einer Behörde. Und doch blieb es erstaunlich ruhig. Gedanken waren bei dem, der Unbekannten, der/die dem Leben ein Ende setzen wollte. Was konnte geschehen sein: Liebeskummer? Eine Schuld, die untragbar scheint? Eine riesige Einsamkeit, die keiner merken wollte? Das Gefühl, nicht akzeptiert zu werden und keinen Fuß mehr auf den Boden zu bekommen? Angst zu versagen oder das Gefühl versagt zu haben? Jemand, der kapituliert angesichts der Katastrophenbilder von Krieg und Zerstörung? Ein persönlicher Schicksalsschlag, der das Leben hier und jetzt nicht mehr aushaltbar erscheinen lässt? Vielleicht etwas ganz anderes? So waren unser aller Gedanken wohl für einige Weile bei diesem unbekannten Menschen in seiner vielleicht dunkelsten Stunde. Irgendwann war klar: unser Zug fährt wieder zurück.

 

Aber auf dem Nachbargleis geht es weiter. Richtung Hamburg. – Ich kam eine Stunde später als geplant an, aber mit meinem Termin ging noch alles klar. Und was war mein Termin, wenn ein ganzes Leben auf dem Spiel steht. Wie es ausging? Ich weiß es nicht. Ich hoffe gut. Für den Moment und für die weitere Zukunft. Jetzt, am anderen Morgen, schaue ich in den hellen Himmel, denke an den, die Unbekannte. Das Leben ist ein so kostbares, schönes Geschenk. Aber manchmal wird alles so viel. Hoffentlich können wir das rechtzeitig spüren, wenn es jemand neben uns so ergeht! Auch wenn wir die Einsamkeit eines letzten Entschlusses längst nicht immer verhindern können … Gott, komm du in alle Verzweiflung dieser Welt! –

 

Und ihr – bleibt gesegnet und behütet!

 

Foto: Tabea-Estelle Rohrmann – Blick von ihrem Arbeitsplatz aus über die Alster in Hamburg

Gedanken in der Passionszeit – 28. März 2022

Kirche der Brotvermehrung in Tabgha in Israel

Erstellt: 28. März 2022

Gestern war eine klare Botschaft in der Tageslosung zu lesen: „Wer dem Geringen Gewalt tut, lästert dessen Schöpfer.“ (Sprüche 14,31). Wieviel Lästereien werden täglich gegen Gott vollführt? Wie vielen wird Gewalt angetan, die dieser Gewalt hilflos ausgeliefert sind? Die Nachrichten zeigen uns die Bilder dazu: Krankenhäuser, Wohnblocks, ein Theater, in das viele Schutzsuchende geflüchtet sind, werden gezielt beschossen, Und selbst Menschen, die mit ihren wenigen Habseligkeiten auf der Flucht sind, müssen mit ständiger Angst vor gewaltsamen Übergriffen und Beschuss leben.

 

Wie oft wird Gott jeden Tag verlästert? Nicht erst seit dem Krieg Putin-Russlands gegen die Ukraine. Hungernde Menschen in vielen Ländern dieser Erde, für die sich kaum eine Öffentlichkeit interessiert. Kinder, die in unserem Land missbracht werden, in ihren eigenen Familien oder in Institutionen wie den Kirchen. Menschen, denen zutiefst Unrecht geschieht, und viele könnten es wissen und keiner greift ein. Und vielleicht kannst du auch eine eigene Geschichte erzählen, wo dir Gewalt angetan wurde, und du warst dem so hilflos ausgeliefert. Es muss keine körperliche Gewalt sein, es können Worte sein, die verletzen, Gesten, die weh tun, Ausgrenzung, die dich viel Kraft kostet und das Gemüt so beschwert. – Mit all dem wird unser Schöpfer gelästert. Sagt die Bibel. Das heißt doch zugleich: hinter jedem, jeder, der, die so wehrlos zum Opfer wird, steht Gott persönlich. Gott will, dass wir einander mit Achtung und Respekt begegnen. Dass wir einander beistehen und helfen. Und dass wir besonders für die da sind, die Hilfe brauchen, weil sie gerade so viel mitmachen müssen im Leben – und die auch ein Recht darauf haben geholfen zu bekommen! – Was wir einem anderen antun, tun wir Gott an – sei es an Bösem oder an Gutem. Und Gott ist besonders bei denen, die in der Gesellschaft keine große Lobby haben. Die mit geringem Ansehen. Die haben es besonders verdient, dass wir Halt machen, uns ihnen zuwenden, ihnen aufhelfen, ihnen Hoffnung geben! Letzte Woche saß jemand bettelnd in der Fußgängerzone in Niebüll. Ich war so perplex in dem Moment. Ich habe es gar nicht gleich realisiert. Ich hatte es eilig. Ich ging weiter. Ich ärgere mich über mich. Da war Gott so nahe – und ich ließ ihn einfach hocken … Ich nehme diese Bibelworte mit in die neue Woche. Und hoffe, dass die Welt sich ändert. Und ich mich auch. Dass wir die vielen Weisen entdecken, in denen uns Gott gegenübersteht. Wo wir klagen: Gott, wo steckst du eigentlich - da sagt er: Ich bin dir längst begegnet. Und du hast mich nicht gesehen! – Bleibt behütet und achtsam! Da heute auch der Todestag von Meister Eckhart, einem mittelalterlichen Mystiker, ist, hier noch ein starkes Zitat von ihm: „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart. Der bedeutendste Mensch ist immer der, der dir gerade gegenübersteht. Das notwendigste Werk ist stets die Liebe.“

 

Foto: Die Kirche der Brotvermehrung in Tabgha in Israel – wo Jesus sich Menschen, die Hunger hatten, zugewandt hat.

Gedanken in der Passionszeit – 26. März 2022

Wolken

Erstellt: 26. März 2022

„Der Herr wird seinen Engel vor dir hersenden.“ (1. Mose 24,7) verspricht Abraham seinem Knecht, der sich auf eine weite Reise begibt – und Reisen waren schon immer und damals ganz besonders: gefährlich, zumal, wenn man alleine auf dem Weg war. Einen Engel vor dir hersenden – du bist nicht allein, einer zeigt dir den Weg, bereitet alles vor. Gottes Engel. – Was habt ihr gerade für Wege vor euch? Auf manchen Wegen kann man keinen irdischen Begleiter mitnehmen – um so wichtiger zu wissen:

 

der Herr geht mit. Sein Engel ist dabei. Der Himmel sieht nach dir. Gott weiß den Weg. – Heute Nacht schlief jemand in Emmelsbüll mitten im Dorf auf einer Bank. Ein Versuch die Person anzusprechen, einzuladen mitzukommen, im Warmen etwa im Gemeindesaal zu übernachten, wurde dankend abgelehnt. Die Person, englischsprachig, wollte gerne draußen bleiben und in Ruhe gelassen werden. Am Morgen machte sie sich auf den Weg. Auf meiner Hunderunde bin ich ihr nochmal begegnet. Sehr freundlich wirkte sie. Ich hab keine Ahnung, wohin ihr Weg genau führt, sie sprach von Dänemark … Ich wünsche ihr einen Engel vor ihr her, der ihr hilft, dort anzukommen, wo sie bleiben kann. Und das wünsche ich allen, die unterwegs sind auf unsicheren Wegen. Auch den vielen auf der Flucht. Und dass unterwegs Menschen wie Engel da sind, die helfen, aufnehmen, Wege mitgehen, Stätten bereiten. Uns ist das in der Nacht nicht so richtig gelungen. Aber wir alle werden jeden Tag neu gebraucht.

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 25. März 2022

Mariae Verkündigungskirche in Nazareth

Erstellt: 25. März 2022

In 9 Monaten ist Weihnachten. Ja, in neun Monaten. Und darum ist heute der Tag von Mariae Verkündigung – der Tag, an dem Maria erfuhr, dass sie schwanger ist und den Gottessohn gebären wird. Kein Gedanken momentan an Weihnachten? Zugegeben, das kann ich verstehen. Wir genießen die Sonne, die länger werdenden Tage und wollen jetzt gar nicht in die dunkle Jahreszeit zurück. Und Weihnachtsstimmung kann auch gar nicht aufkommen, wenn wir die Welt betrachten wie sie ist: grausame, menschenverachtende Zerstörung in der Ukraine, wie wir sie nie und nimmer im Herzen von Europa erwartet und dem russischen Herrscher zugetraut hätten.

 

Und das unverhohlene Drohen mit dem Einsatz von Atomwaffen, das alle Humanitas – alle Menschlichkeit ad absurdum führt. Was haben wir entgegenzusetzen? Ein kleines Kind in der Krippe? Es ist das Kind, von dem Maria kurz nach der Begegnung mit dem Engel Gabriel, der ihr die Schwangerschaft verkündet, sagt: „Seine Barmherzigkeit währt für und für bei denen, die ihn fürchten. Er übt Gewalt mit seinem Arm und zerstreut, die hoffärtig sind in ihres Herzens Sinn. Er stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen. Die Hungrigen füllt er mit Güter und lässt die Reichen leer ausgehen. Er gedenkt der Barmherzigkeit und hilft seinem Diener Israel auf.“ Kein liebliches Baby, das niemand weh tut. Sondern ein mächtiger Herrscher, der Gottes Solidarität mit den Kleinen und Unterdrückten auf die Erde bringt und einmal dafür sorgen wird, dass , wer eben noch über Leichen geht, ganz klein da stehen wird, und wer eben noch am Boden lag, mit neuer Kraft aufersteht. Gott ist parteiisch – er hält es mit denen, denen Unrecht geschieht. Mit denen, die leiden. Mit denen, die am Leben bedroht und denen ihre Herzensmenschen genommen werden. Er steht dafür, dass einmal alles anders werden soll und Dinge sich umdrehen. Wenn wir das Kind in der Krippe vor Augen haben und die Seligpreisung: Selig die Sanftmütigen im Ohr – sollten wir diese Seite des Messias nie vergessen: er ist ein kämpferischer Anwalt der kleinen Leute und aller, die unterdrückt werden. Und fürchten müssen ihn die, die ohne Rücksicht über Leichen gehen. Vielleicht gar nicht so unpassend, unter diesem Blickwinkel heute mal an Weihnachten zu denken. Und vielleicht sich schon etwas zu freuen auf das Kind in der Krippe mit der gewaltigen Botschaft!

 

Seid behütet!

 

Foto: Mariae Verkündigungskirche in Nazareth

Gedanken in der Passionszeit – 24. März 2022

Sonnenaufgang

Erstellt: 24. März 2022

Heute einfach einmal einen schon recht alten

und doch wieder so aktuellen Liedtext

aus dem Jahr 1985.

Ich liebte damals dieses Lied.

Ich liebe es noch immer.

Eigentlich müssen wir nur die

Namen Chruschtschow und Reagan

durch Putin und Biden ersetzen …

 

Russen / Russians:

In Europa und Amerika , da ist ein wachsendes Gefühl von Hysterie, basierend

darauf, auf alle Drohungen zu reagieren,

die in den Reden der Sowjets vorkommen.

Präsident Chruschtschow sagt: Wir werden euch begraben.

Dieser Haltung kann ich nichts zustimmen.

Es wäre eine sehr ignorante Sache,

wenn die Russen auch ihre Kinder lieben.

 

Wie kann ich meinen kleinen Jungen

vor dem tödlichen Spielzeug von Oppenheimer beschützen?

Da ist kein Monopol auf gesunden Menschenverstand

uf einer der politschen Seiten.

Glaub mir, wenn ich dir sage, ich hoffe,

die Russen lieben ihre Kinder auch.

 

Es gibt keinen historischen Präzedenzfall,

um dem Präsidenten die Worte in den Mund zu legen.

Da ist keine Möglichkeit einen Krieg zu gewinnen

Es ist eine Lüge, die wir nicht länger glauben.

Präsident Reagan sagt: wir werden euch beschützen.

Ich kann diesen Gesichtspunkt nicht unterschreiben.

Glaub mir, wenn ich dir sage.

Ich hoffe, die Russen lieben ihre Kinder auch.

 

Wir teilen dieselbe Biologie,

ganz abgesehen von der Ideologie.

Was uns vielleicht beschützen kann, mich, und dich, ist:

Wenn die Russen ihre Kinder auch lieben!

 

Gebe es Gott! Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 23. März 2022

Natur

Erstellt: 23. März 2022

Jesus spricht: „In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ (Johannes 16,33) – Es gibt Zeiten, da fangen Bibelverse, die man schon oft gehört hat, besonders zu reden an. An einem unbeschwerten Tag im Urlaub klingen diese Zeilen bei Johannes auch schön und tröstlich und rauschen doch schnell auch an den Ohren vorbei: Das Leben ist schön, von Angst keine Spur, von Freude, Lebensfreude um so mehr. Und Weltüberwindung – erst einmal möchte ich doch noch bisschen genießen von der Schönheit der Welt und ihrer Wunder! – An Tagen wie diesen dagegen rührt dieser Spruch einiges in mir an – und vielleicht geht es euch auch so.

 

Ja, Angst – Angst ist da. Die habe ich auch. Angst vor einer weiteren Ausbreitung des schrecklichen Krieges, Angst sich womöglich irgendwann mit den Nachrichten zu arrangieren und nicht mehr zu spüren, welch ungeheuerliches Unrecht da gerade geschieht. Angst, wie es überhaupt mit dieser Welt weitergeht, die uns doch vor ganz andere Herausforderungen stellen sollte, als dass wir Kriege führen: Klimakatastrophe, Hunger auf der Welt. Angst um unsere Kinder – werden sie auch einmal auf Jahrzehnte des Friedens zurückschauen können in ihrem Leben? – „In der Welt habt ihr Angst“, sagt Jesus so selbstverständlich. Auch Glaube braucht kein Heroentum, braucht keine Helden, die unberührt von allem Leid und jeder Gefahr kühlen Kopf bewahren und ihren Weg gehen. Dass Jesus im Angesicht seines Todes gezagt hat, im Garten Gethsemane Gott bat, wenn es möglich ist doch den Kelch des Leides an ihm vorübergehen zu lassen: das finde ich riesig tröstlich! Angst dürfen wir haben, auch wenn wir noch so sehr im Glauben stehen, Angst um die Zukunft, Angst um unsere Lieben, Angst um uns, Angst auch angesichts von Prüfungen, Leid, Krankheit und Tod. – Aber noch etwas dürfen wir wissen: die Welt ist überwunden durch Jesus. Ich höre da heraus: Die Welt ist nur etwas Vorläufiges. Das Schlimme, was auf Erden geschieht, macht Angst, aber wird niemals siegen. Gott hat das letzte Wort. Und mit ihm der Frieden, die Liebe, die Hoffnung. Wir sollen tun, was wir können, um diese Welt zu einem gerechteren, solidarischeren, friedlicheren Ort zu machen. Aber wo wir manchmal Geschehnissen so hilflos ausgeliefert sind wie momentan so viele Menschen in der Ukraine und auf der Flucht - sollen wir wissen: Gott ist da. Gott ist stärker. Alles kann uns auf Erden entrissen werden - aber niemals Gottes Liebe. Und niemals der Glaube an Gott, der nicht einfach zusieht, sondern vor dem alle Gewalttäter einmal stehen werden, arm und unbewaffnet. Und Gott, der einmal aus allen Trümmern neue Hoffnung erstehen lässt. – Ob das Menschen in Luftschutzbunkern hilft? Manchmal ist es alles, was ihnen geblieben ist: die Hoffnung: Gott sieht das. Er ist auch jetzt bei mir! Wie immer das ausgeht hier: es wird nicht das Ende sein! – „Seid getrost“, sagt Jesus. Er kommt um zu trösten, zu stärken und Hoffnung zu wecken. Das brauchen wir in diesen Tagen – und andere 1400 Kilometer und mehr Richtung Osten ganz besonders.

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 22. März 2022

Hund

Erstellt: 22. März 2022

Freuen – das ist die Überschrift für die vierte Woche der Passionszeit bei der Fastenaktion der Evangelischen Kirche in Deutschland in diesem Jahr. Und erzählt wird hierbei Jesu Gleichnis vom Senfkorn: Das Himmelreich gleicht so einem Senfkorn, das ein Mensch auf seinen Acker sät als das kleinste unter den Samenkörnern – und dann wird daraus ein großer Baum, dass die Vögel in seinen Zweigen wohnen. (Matthäus 13,31-32). Freude – ein Wort wie aus einer anderen Welt in diesen Tagen, wo uns allen das Freuen gerade schwer fällt. Zu groß ist die Not unweit unserer Haustür dort in der Ukraine. Und manche Sorgen in unserem Land haben auch Gewicht: hohe Preise. Angst vor einer Coronaansteckung. Die drohende Klimakatastrophe. Und immer wieder der Krieg. Manchmal empfinde ich dann doch so einen Moment der Freude. Am Samstag waren wir einfach mal in Familie spontan Frühstücken in Niebüll. Irgendwie auch ein komisches Gefühl – darf man frühstücken gehen, schön in einem Café, wenn wo anders Menschen leiden und sterben? Und doch tat es so gut in Familie zusammenzusitzen, den Augenblick, der uns momentan noch kostbarer geworden ist in dieser unsicheren Weltlage, zu genießen und mal über ganz anderes reden zu können. Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn, das zum Baum wird. Das ist die Freude der Bibel: das aus wenig so viel werden kann. Aus einem Schritt ein großartiger Weg. Aus einer Tat eine notwendige Revolution. Aus einem Wort ganz viel Trost. Aus einem Moment voller Glück ganz viel Dankbarkeit. – Ich denke an das Mädchen, das im Bunker in Kiew auf einmal zu singen anfängt: ein Lied aus einem Disney-Musical.

 

Und auf einmal ist für einen Moment die ganze Trostlosigkeit und Angst weg. Und Menschen versenken sich in die Musik, in die Stimme. Ein Moment der Stärkung, unbezahlbar! Ein Senfkorn. Mehr ist es vielleicht nicht. Wenn wir hier eine Spende überweisen, Drogeriebedarf für einen Hilfstransport sammeln, einen Flohmarkt für ukrainische Flüchtlingsfamilien, die hier ankommen, planen. Und doch – für die, die mitmachen. Ist es ein Trost etwas tun zu können. Und für die, für die das ganze gedacht ist, vielleicht doch ein Gefühl angekommen und willkommen zu sein. Vielleicht fangen so Bäume in den Himmel zu wachsen an wie in Jesu Gleichnis! Bleibt behütet. Vergesst nicht die Freude. Und vertraut, dass mit Gottes Hilfe aus kleinen, unsicheren Anfängen etwas Großes werden kann. Und was Hoffnung gibt, ist immer groß!

Gedanken in der Passionszeit – 21. März 2022

am Grillen

Erstellt: 21. März 2022

Vertraut

Wie liegt die Welt so frisch und tauig vor mir im Morgensonnenschein.

Entzückt vom hohen Hügel schau ich ins frühlingsgrüne Tal hinein.

Mit allen Kreaturen bin ich in schönster Seelenharmonie.

Wir sind verwandt, ich fühl es innig, und eben darum lieb ich sie.

Und wird auch mal der Himmel grauer;

wer voll Vertraun die Welt besieht,

den freut es, wenn ein Regenschauer

mit Sturm und Blitz vorüberzieht.

Wilhelm Busch

 

Heute ist Frühlingsanfang. Und wir haben schon seit Tagen sehr frühlingshaftes Wetter. Morgens und abends noch recht frisch – aber in der Sonne wird es schon ganz schön warm. Gestern mussten wir einfach schon mal den Grill anschmeißen! Frühling – das ist auch die Botschaft: das Leben siegt! Die Lebenskräfte kehren zurück in die Natur. Das Licht ist stärker als die Dunkelheit. Hoffentlich wird es Frühling nun auch in der Ukraine! Hoffentlich siegen die Kräfte des Lebens über die des Todes. Hoffentlich hört der Krieg endlich auf! Hoffentlich gibt es Zukunft – für die Ukraine und für alle Welt. Hoffentlich siegt das Leben und die Gerechtigkeit und der Friede! Gott, bitte hilf , bewege die Herzen, lass das Leben, die Liebe, die Hoffnung siegen!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 20. März 2022

Bäume

Erstellt: 20. März 2022

„Sammle meine Tränen in deinen Krug; ohne Zweifel, du zählst sie.“ Psalm 56,9 Tageslosung für heute. Der Krug läuft über in der Ukraine. Der Krug läuft über in den Flüchtlingslagern an der Grenze. Der Krug läuft über an den Bahnhöfen bei uns, wenn Frauen und Kinder ankommen, gezeichnet von schrecklichen Erlebnissen, die hinter ihnen liegen, von Trauer und Schmerz um Menschen, die sie zurücklassen mussten. Der Krug läuft über. Aber bei Gott geht keine Träne verloren. Gott zählt sie – das heißt: er weiß um jede einzelne Träne. Er weint sie mit. Kein Schmerz bleibt ihm verborgen.

 

Er empfindet jeden Schmerz mit. Er weiß, wie es den Menschen geht. Er weiß um ihre Verzweiflung. Er weiß, wie es uns alle aufwühlt. Er weiß um die Sehnsucht, dass der Krieg aufhört, und die Hilflosigkeit, die wir empfinden … Der Krug läuft über. Wie lange noch? Bis sich die Verantwortlichen erbarmen und zur Menschlichkeit, Mitmenschlichkeit zurückfinden? Der Krug läuft über, die Zeit läuft davon. Und momentan ist da kein anderer Trost, als Menschen, die sich von den Tränen anrühren lassen. Menschen, die versuchen mit ihren Möglichkeiten etwas Hoffnung dagegen zu setzen. Und Gott, der um jede Träne weiß. – Bleibt behütet.

Gedanken in der Passionszeit – 19. März 2022

Kater Oskar

Erstellt: 19. März 2022

„Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott.“ (Jona 2,7) – So betet Jona im Bauch des Walfisches. Eigentlich ist noch nichts gerettet. Er vom Walfisch verschlungen. Er könnte verzweifeln. Aber Jona ist sich sicher: den Walfisch hat Gott geschickt! Jona hatte einen Auftrag bekommen – in eine ferne Stadt sollte er reisen und ihnen von seinem Gott erzählen und dass der Untergang der Stadt bevorstehe, wenn sie sich nicht endlich besserten. Jona hatte keinen Bock auf so einen Auftrag. Er lief zum Hafen, heuerte auf einem Boot an, das genau in die entgegengesetzte Richtung fuhr. Und dann kam der Sturm. Die Seeleute warfen ein Los, wessen Gott ihnen so sehr zürne, dass dieser Sturm losgebrochen ist. Und das Los fiel auf Jona. Da wurde es Jona klar: Gott kann man nicht entkommen. Vor ihm kann man nicht weglaufen. Wenn Gott etwas mit uns vorhat – dann wird er das auch tun. Jona bittet: Werft mich über Bord, es ist meine Schuld! – Und genau so geschieht es – Jona über Bord, der Sturm hört im selben Moment auf, aber ein Walfisch verschlingt Jona im Wasser, so dass Jona nicht ertrinkt; und im Bauch des Walfisches überlebt er drei Tage lang.

 

Dann speit ihn der Walfisch aus – wo? Na klar, nahe jener Stadt, in die Gott Jona von Anfang an schicken wollte. Jona versteht: Vor Gott kann man nicht weglaufen – und führt seinen Auftrag aus. „Du hast mein Leben aus dem Verderben geführt, Herr, mein Gott.“ Jona erlebt es so: Wenn wir eigenmächtig unsere Wege gehen und nicht nach Gottes Willen mit uns und für uns fragen, dann führt der Weg ins Verderben. Zumindest nicht zu jener Erfüllung, die nur Gott unserem Leben zu schenken vermag. Drei Tage, drei Nächte im Bauch des Walfisches reichen, dass Jona seinem Gott neu vertrauen lernt: Was immer kommt, was immer geschehe, und wenn ein Weg noch so kompliziert erscheint, Gottes Wille mit uns noch so unmöglich erscheint: vertrau einfach. Gib dich Gott in die Hand. Er weiß, was er tut! –

 

Bleibt behütet!

 

Foto: Unser Kater Oskar, ganz entspannt neben der Kalenderbotschaft: „Ich glaube – hilf meinem Unglauben!“

Gedanken in der Passionszeit – 18. März 2022

Sonnenuntergang

Erstellt: 18. März 2022

Habt ihr ihn gestern gesehen? Hat er euch womöglich etwas Schlaf gekostet? Der - Vollmond am Himmel? Der letzte Vollmond vor Frühlingsanfang. Deshalb ist Ostern in diesem Jahr so spät. Denn in drei Tagen ist bereits Frühlingsanfang. Und Ostern ist immer am ersten Sonntag nach dem ersten Vollmond nach Frühjahrsanfang. Also dauert es jetzt noch mal vier Wochen, bis wieder Vollmond ist, und also viereinhalb Wochen bis Ostern. Und doch geht die Zeit für viele ja oft rasend schnell um. Viereinhalb Wochen bis Ostern. Wie wird es bis dahin aussehen in der Welt?

 

Viereinhalb Wochen – wir mussten gerade lernen, dass innerhalb von Tagen, Wochen ganze Weltbilder ins Wanken kommen können, Sicherheiten wegbrechen, existentielle Ängste da sind. Aber am schlimmsten ist momentan die Hilflosigkeit beim Anschauen dieser schlimmen Bilder: Bombenangriffe auf entsprechend gekennzeichnete Krankenhäuser, Zerstörung ganzer Städte. Beschuss sogar von Flüchtlingsströmen. Pure Verzweiflung. „Herr, warum stehst du so ferne, verbirgst dich zur Zeit der Not?“ (Psalm 10,1). So fragt die heutige Tageslosung. Sie könnte nicht aktueller sein. Steht Gott ferne? Oder habt ihr ihn gesehen? Flüchtend mit einem Kind auf dem Arm? Oder in gelber Weste, als Helfer oder Helferin in einem der Flüchtlingslager hinter der polnischen Grenze? Hast du ihn nicht gesehen am Steuer des Konvois, der Hilfsgüter gerade Richtung Ukraine fährt? Ob er auch hinter der Waffe des Ukrainers steht, der seine Heimat und alles, was ihm so viel bedeutet, mit seinem Leben verteidigen will? Oder ist er eher bei dem, der seine Waffe weglegt, weil er unsicher wird, ob der Preis von all dem nicht zu hoch ist? Ich weiß es selber nicht mehr genau. Freiheit ist Gott etwas ganz Wesentliches, das durfte das kleine Volk Israel schon oft erleben, dass sich so oft gegen eine Übermacht verteidigen musste. Und der Weg zu Versöhnung und Friede ist ihm wichtig. Und Hilfe, nicht nur reden, handeln, etwas tun. Fern ist er nicht in diesen Tagen, unser Gott. Sehr nahe begegnet er uns in denen, die leiden. In denen, die helfen. In denen, die sich so zerrissen gerade fühlen, wie es ihn gerade zerreißt.

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 17. März 2022

Eckhard Otte schlüpfte in das Kostüm

Erstellt: 17. März 2022

Mitten in der Nacht ging das Notfallhandy. Einsatz bei einem Wohnungsbrand. Ziemlich weit von mir entfernt, nahe Viöl. Über eine dreiviertel Stunde Anfahrt. Das ist ziemlich lang, wenn doch schnell jemand vor Ort benötigt wird. Unserem Koordinator in der Einsatzstelle fiel ein Kollege ein, der näher dran war und außerdem eine Zusatzqualifikation im Notfalleinsatz hatte. Und der war trotz der nächtlichen Uhrzeit sofort am Handy erreichbar und übernahm. Gestern auf unserem Pastorenkonvent nun wollte ich ihm einen kleinen Dank abstatten. In der Pause legte ich auf seinen Platz einfach eine Packung Merci ab. – Als Kind fand ich das bei uns im Mietshaus immer so schön – wenn plötzlich mal was für uns Kinder vor der Tür lag, von einem unserer Nachbarinnen und Nachbarn, etwa an Nikolaus oder zu Ostern einfach abgelegt. Manchmal haben wir nie erfahren, von wem die Überraschung kam. – So wollte ich auch meinen lieben Kollegen überraschen. Als ich vom Konvent wieder daheim war, schrieb ich ihm aber doch ein paar Zeilen: Das Merci war von mir, nochmal vielen Dank für Deinen Einsatz.

 

Nach einer Weile kam die Antwort: Er habe nichts von seinem Glück geahnt, und er habe sich nicht getraut in der Fastenzeit an fremde Süßigkeiten zu gehen und daher die Schokolade liegengelassen … – Tja, zu anonym ist dann eben doch nicht gut, merkte ich! Zumal in der Fastenzeit! – Wobei wir uns dann beide trösteten mit der Hoffnung: hoffentlich hat sich wenigstens die Reinigungskraft am Abend getraut die Schokolade mitzunehmen – dann hätte sie ja wenigstens noch eine wunderbare Funktion erfüllt!

 

Lasst euch heute mal von hoffentlich etwas Schönem, Süßem überraschen! Und bleibt behütet!

 

Foto: Der kann das besser mit dem Verstecken – der Osterhase. 2019 in Klanxbüll, Eckhard Otte schlüpfte in das Kostüm

Gedanken in der Passionszeit – 16. März 2022

Tulpe

Erstellt: 16. März 2022

Was für mutige Menschen gibt es eigentlich?! Die letzten Tage hätten wir gleich mehrere Personen mit dem Menschenrechtspreis für besonderen Mut ehren können. Da war zum einen Marina „Maria“ Owssiannikowa, die zur besten Sendezeit im russischen Staatsfernsehen mit einem Plakat im Bild erscheint, auf dem die Worte stehen: „Nein zum Krieg“ und: „Glaubt der Propaganda nicht, sie belügen euch hier!“ Ein paar Sekunden dauert der Protest, dann schaltet das Fernsehstudio weg, und Marina wird verhaftet. – Dann sind da die Ministerpräsidenten von Slowenien, Polen und Tschechien, die sich in den Zug nach Kiew setzen um dort den ukrainischen Staatspräsidenten Selenskyi zu treffen. Sie reisen mitten ins Zentrum des Krieges und geben so ein deutliches Zeichen der Solidarität mit der Ukraine und ihrer Staatsführung. -Und dann ist da noch Vater Johannes, Priester in Karabanovo in Russland, der bereits am 6. März in einer Predigt den Krieg in der Ukraine „Krieg“ genannt hat und dafür vom russischen Gericht zu einer Geldstrafe von 35.000 Rubel verurteilt wurde. In seiner Verteidigungsrede sagte er u.a.:

 

„Ich habe das Wort Krieg verwendet, weil weder die Bibel noch das Evangelium eine ,besondere Operation‘ kennt. Jeder Konflikt, der zu Aggression und Blutvergießen führt, wird in der Bibel als ,Krieg‘ bezeichnet. Und ich kann nicht anders, als dafür zu beten, dass dieser gestoppt wird.“ Was für mutige Menschen – und es gibt noch andere Beispiele von unglaublichem Mut in diesen Tagen! Manchmal frage ich mich, wieviel Mut ich wohl entwickeln würde in einer solchen Situation, oder ob mich nicht vielmehr die Angst lähmen würde! Ich hätte mir allerdings, ich muss es zugeben, gewünscht, dass der Vorschlag des Staatspräsidenten Selenskyi von vor zwei Wochen, dass nach Kiew alle Religionsführer kommen sollten um damit ihre Solidarität mit dem ukrainischen Volk und ihren Wunsch nach Frieden zu unterstreichen, auf einen größeren Nachhall gestoßen wäre. Allen Sicherheitsbedenken zum Trotz. Ich würde es ein starkes, mutiges Zeichen finden, wenn der Metropolit der russisch-orthoxen Kirche, Kyrill, nach Kiew käme um dort für den Frieden zu beten und seinen ukrainisch-orthodoxen Brüdern und Schwestern die Hand zu reichen. Ich würde mir Kirche mutiger wünschen, wohl wissend, dass ich selber ein Teil dieser Kirche bin. Christinnen und Christen könnten so viel mehr bewirken auf der Welt, wenn sie nur mehr zusammenfänden und mutig wären! Wir können beten. Für die, die momentan ganz besonders viel Mut beweisen. Und für die, die momentan etwas mehr Mut ganz gut gebrauchen könnten. Und damit sicher auch für uns alle! Gott sagt: „Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen! Sei getrost und unverzagt.“ (Josua 1,5-6)

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 15. März 2022

Martin Luther King

Erstellt: 15. März 2022

Was haben wir debattiert – in der Schulzeit und später im Studium. Ob das funktionieren kann oder nicht eine riesige Zumutung ist: die Feindesliebe, zu der Jesus einlädt. Ich scheiterte oft daran mir einfach einen Feind vorzustellen. Ja, es gab schon den Mitschüler, der nervte, und den Lehrer, der mir das Leben schwer machte. Aber das alles waren doch nicht wirklich: Feinde! Als ich das erste Mal nach Israel kam, da berührte mich sehr die große Gastfreundschaft, mit der wir empfangen wurden. Und nachdem ich in Yas Vashem die bedrückenden Bilder unvorstellbarer Grausamkeiten von Hitler-Deutschland gegenüber dem jüdischen Volk sah, erlebte ich so richtig Scham Deutscher zu sein , und die Freundlichkeit, die wir überall erlebten, in Hotels, im Kibbuz und überall, bekam einen ganz besonderen Stellenwert: da war so viel von der Kraft der Versöhnung zu spüren!

 

Wenn ich jetzt die Bilder aus der Ukraine sehe, frage ich manches Mal: wie wird es dort weitergehen? Wann und wie kann dort Versöhnung wachsen nach den vielen Grausamkeiten, die dem ukrainischen Volk gerade zugemutet werden? Geht das überhaupt? Wie sollen ukrainische Männer, die das, was von ihrer Heimat noch geblieben ist, verteidigen, wie sollen sie diejenigen , die da ungebeten und unerlaubt und gegen alles Völkerrecht gegen sie vorrücken, ihre Frauen und Kinder bedroht, womöglich getötet haben, rücksichtslos Wohnblöcke und Krankenhäuser bombardieren – wie sollen sie sie: lieben können? Welch hohes Wort: „lieben“ – wie sollen sie überhaupt über diese nicht mit Hass und unter Verlust aller Menschlichkeit herfallen? Welche Zumutung steckt drinnen in diesen Worten Jesu! Es wird mir gerade ganz neu bewusst! Wo ich doch schon als Zuschauer die Bilder nicht mehr ertragen kann, wie sehr die Zivilbevölkerung der Ukraine leidet und wie bewusst von russischer Seite dieses Leid in Kauf genommen wird! Von Martin Luther King stammen – aus anderer Zeit in anderer Situation – diese ganz besonderen Worte: „Hass mit Hass zu vergelten wird nur den Hass vergrößern und eine bereits sternenlose Nacht in noch tiefere Finsternis tauchen. Finsternis kann Finsternis nicht vertreiben: Das vermag nur das Licht. Hass kann Hass nicht beenden: Das kann nur die Liebe.“ Möge die Gewalt endlich aufhören und Krieg durch Verhandlungen abgelöst werden. Möge die Freiheit und das Selbstbestimmungsrecht eines Volkes nicht verlieren! Und möge auch auf lange Sicht im Miteinander zweier Brudervölker und auch im europäischen Miteinander: die Liebe siegen! Für die Liebe leben wir. Und wenn wir einmal sterben müssen, dann: mit der Hoffnung auf Liebe, die am Ende bleibt!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 14. März 2022

Landschaft

Erstellt: 14. März 2022

Ein Gerechter fällt siebenmal und steht wieder auf. (Sprüche 24,16).


Das ist der Leitvers für die zweite Woche der Fastenaktion der evangelischen Kirche 2022. Eigentlich also für die letzte Woche. Aber heute Morgen fiel mir der Vers auf. Ein Gerechter fällt siebenmal und steht wieder auf. Die Helden unserer Kindheit fielen ja meistens gar nicht hin. Sie blieben aufrecht, gewannen jeden Kampf, trotzten jeder Gefahr. Die wahren Helden aber im Leben da draußen sind die, die wiederaufstehen.

 

Sie sind nicht unverwundbar, aber so lange sie können, kämpfen sie weiter für ihre Ideale, für die gerechte Sache, für die Menschen, die ihnen anvertraut sind, für eine bessere Zukunft. Es ist nicht schwer solche Helden gerade ausfindig zu machen. Der Blick in die Ukraine, der kaum auszuhalten ist angesichts des schreckliches Leides, das die Menschen dort ertragen müssen, zeigt viele solcher Aufstehenden, solche Heldinnen und Helden. Das Mädchen, das im Bunker unter so viele verängstigte Menschen tritt und mit ihrer großartigen Stimme zu singen anfängt. Und damit so viel Mut macht. Der Priester, der Beerdigung um Beerdigung begleitet und nicht müde wird, von Gott zu erzählen, von einer Gerechtigkeit, die noch kommen wird, von einer Zukunft und auch vom ewigen Leben. Der Mann, der seine Familie verabschiedet, aber kämpfen will – für eine Zukunft seiner Kinder in diesem Land, das seine Heimat ist. Die Frau, die in der Westukraine ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger in Erster Hilfe schult, damit sie einander helfen können, wenn die Angriffe kommen. Aber auch die, die fliehen, Mütter mit Kindern, die irgendwie unterwegs Nahrung, Wasser auftreiben, die ihre weinenden Kinder trösten und selber eigentlich so viel Trost bräuchten. Helden im Aufstehen. Es macht traurig, dass die Welt ein solches Heldentum braucht. Aber sie geben Kraft, diese Heldinnen und Helden im Aufstehen. Auch uns geben sie Kraft, weil sie uns zeigen, dass Lebensumstände uns beugen können, aber dass wir zugleich widerstehen können. Dass mehr Kraft in uns steckt, als wir von uns denken. Und dass Gott seine Power uns dazugibt. Gott bewahrt uns nicht vorm Fallen. Aber er hilft beim Aufstehen. Er ist die manchmal unerklärliche Kraft, die uns noch glauben, hoffen und womöglich sogar mitten in allem Hass noch lieben lässt. Und er schickt uns Heldinnen und Helden, die uns die Hand hinstrecken, wenn wir gerade nicht selber auf die Beine kommen. Dort in der Ukraine gibt es ganz viele solcher aufstehenden Männer und Frauen. Und hier helfen Menschen, die ankommenden Flüchtlinge willkommen zu heißen und ihnen beizustehen. Rückschläge für die Hoffnung gibt es genug. Aber Aufgeben ist keine Alternative. Jesus streckt seine Hand uns entgegen. Er ist selber ein Meister im Aufstehen und sogar im Auferstehen.

 

Bleibt gut behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 12. März 2022

Kerzen

Erstellt: 12. März 2022

Sie gingen gestern bei unserem Friedensmarsch vom ZOB zur Kirche Klanxbüll mit – Frauen, Kinder aus der Ukraine, die hier vor Ort angekommen sind. Sie verstanden bestimmt viele Worte noch nicht, die in der Kirche gesprochen und gesungen wurden, aber sie verstanden viel mehr als wir alle: sie hatten Bilder vor Augen, was Krieg anrichtet. Sie hatten Menschen, ganz konkrete Herzensmenschen, die sie in der Ukraine zurücklassen mussten und für die sie Kerzen anzündeten und leise beteten, sie wissen leider längst um die Brutalität von Krieg und trugen tiefe Sehnsucht nach Frieden im Herzen, nach einer Zukunft für ihr Land, nach einer Heimkehr, sobald es möglich ist, nach einem hoffentlich gesunden Zusammenfinden mit denen, die sie zurücklassen mussten. Und sie gaben uns das Gefühl, dass wir Menschen einfach zusammengehören und dass wir gemeinsam für Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit eintreten müssen. Ein paar Kerzen gegen Bomben und Raketen, gegen die Brutalität eines aufgezwungenen Krieges, gegen Flucht und Vertreibung. Ein paar Kerzen und die gemeinsame Hoffnung nach einer besseren Welt.

 

Und ganz besonders berührte mich: da stand vorne bei den Kerzen jemand, der mit sich gerade eigentlich dicke genug zu tun haben könnte, der einer unsicheren Woche entgegensieht, mit einem Krankenhausaufenthalt und höchst unsicherem Ausgang. Aber der es sich nicht nehmen ließ zu kommen um für den Frieden zu beten und den Menschen aus der Ukraine zu zeigen: ich stehe an eurer Seite. Dietrich Bonhoeffer, Widerstandskämpfer gegen Hitler, betete im Gefängnis, in das er von der Gestapo geworfen wurde, dieses Gebet:

 

„Gott, zu dir rufe ich am frühen Morgen

hilf mir beten und meine Gedanken sammeln;

ich kann es nicht allein

In mir ist es finster, aber bei dir ist Licht

ich bin einsam, aber du verläßt mich nicht

ich bin kleinmütig, aber bei dir ist Hilfe

ich bin unruhig, aber bei dir ist Frieden

in mir ist Bitterkeit, aber bei dir ist Geduld

ich verstehe deine Wege nicht, aber du weißt den rechten Weg für mich.

Vater im Himmel,

Lob und Dank sei dir für die Ruhe der Nacht

Lob und Dank sei dir für den neuen Tag

Lob und Dank sei dir für alle deine Güte und Treue in meinem vergangenen Leben.

Du hast mir viel Gutes erwiesen, lass mich nun auch das Schwere aus deiner Hand hinnehmen.

Du wirst mir nicht mehr auferlegen, als ich tragen kann.

Du lässt deinen Kindern alle Dinge zum besten dienen.“

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 11. März 2022

Friedenstaube

Erstellt: 11. März 2022

Könnte ich das – einem Panzer, der gekommen ist meine Heimat zu zerstören, einfach so entgegentreten, mich vor ihn stellen, den Fahrer auffordern: Fahr heim? Wie es Männer und Frauen getan haben, mitten in der Ukraine, als der russische Panzer in ihre Stadt einrollte?

 

Könnte ich das – mitten unter Beschuss, im Bunker unter Lebensgefahr mich hinstellen und singen, wie das eine ukrainische Mädchen getan hat? Könnte ich das – mich mit meinem Handy hinstellen und filmen, die leeren Regale im Supermarkt, die Zerstörung in meiner Stadt – und zwischendurch zeigen, wie meine Mutter mit dem, was da ist, doch noch eine Mahlzeit zubereitet – und das posten in Tiktok, wo sonst doch ganz Momente gezeigt werden, Urlaubsfotos, kleine Präsentationen aus sorgenloser Zeit? So wie es Valerisssh täglich tut.

 

Menschen wie du und ich. Die aber gerade über sich hinauswachsen. Und die Hoffnung wecken, es könnte gehen: mit bloßen Händen gegen einen Panzer. Mit Musik und Handy gegen die Brutalität des Krieges. Und daraus könnte Frieden werden! Was, wenn es gelänge? Gebe es Gott! Vielleicht können wir mithelfen: Kerzen, Beten, Singen, Protestieren, Flüchtlinge aufnehmen, spenden, und selber jedem , jeder freundlich begegnen, wo immer wir gerade sind. Vom heiligen Franz von Assisi stammt das berühmte Gebet: Werkzeug des Friedens: Herr, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens, dass ich liebe, wo man hasst; dass ich verzeihe, wo man beleidigt; dass ich verbinde, wo Streit ist; dass ich die Wahrheit sage, wo Irrtum ist; dass ich Glauben bringe, wo Zweifel droht; dass ich Hoffnung wecke, wo Verzweiflung quält; dass ich Licht entzünde, wo Finsternis regiert; dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt. Herr, lass mich trachten, nicht, dass ich getröstet werde, sondern dass ich tröste; nicht, dass ich verstanden werde, sondern dass ich verstehe; nicht, dass ich geliebt werde, sondern dass ich liebe. Denn wer sich hingibt, der empfängt; wer sich selbst vergisst, der findet; wer verzeiht, dem wird verziehen; und wer stirbt, der erwacht zum ewigen Leben. Bleibt behütet!

 

Das Bild stammt von Anna aus Emmelsbüll, ganz lieben Dank für die schönen Friedenstauben!!!

Gedanken in der Passionszeit – 10. März 2022

Landschaft

Erstellt: 10. März 2022

Tageslosung: „Ich kenne deine Werke. Siehe, ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann; denn du hast eine kleine Kraft und hast mein Wort bewahrt und hast meinen Namen nicht verleugnet.“ (Offenbarung 3,8)


„Setzen – 6“ in aller Regel hoffen wir ja einer solchen Beurteilung zu entgehen. Der Seher Johannes überliefert uns in seiner Offenbarung ganz am Ende der Bibel sieben Schreiben an Gemeinden. Und es ist so ein bisschen wie in der Schule: alle Gemeinden bekommen eine Beurteilung, wie sie sich als christliche Gemeinde so führen.

 

Und- ich hätte Johannes nicht gerne als Lehrer gehabt -die Benotungen sind durch die Bank ziemlich katastrophal! Aber diese Gemeinde in Philadelphia bekommt eine gute Note. „Ich habe vor dir eine Tür aufgetan, die niemand zuschließen kann.“ Das ist mal eine Zusage. Und wenn du noch so viele Feinde hast. Oder dir selber im Wege stehst. Die Tür ist aufgetan. Gott will sein Heil über dir ausbreiten, das kann dir niemand mehr nehmen. Das klingt doch richtig gut. Und es geht weiter: „Du hast eine kleine Kraft.“ Auch in Philadelphia ist keine Über-Gemeinde! Ja, es wird nicht alles geleistet in der Gemeinde, nicht für jede Situation das passende Angebot vorgehalten, das schafft ja auch keiner. Wir haben alle nur eine kleine Kraft und sollten mit ihr haushalten. Aber die Gemeinde hat das wichtigste doch geschafft: Am Wort Gottes festzuhalten: „Du hast mein Wort bewahrt!“ – und Jesu Namen nicht zu verleugnen, sondern sich mutig zu ihm zu bekennen. So besteht diese Gemeinde vor den Augen des Johannes. Gottes Wort bewahren, das meint ja auch: Gottes Wort halten und weitergeben und daraus Trost und Hoffnung schöpfen. Und eben: Jesus nicht verleugnen. Das geschieht durch ein überzeugendes Tun, dass wir nicht nur reden von Gottes Liebe und von Vergebung, sondern genau das auch leben. Diese Gemeinde ist auf einem guten Weg, meint Johannes. – Und wir so? Das Wort bewahren, Jesu Namen nicht verleugnen – klingt gar nicht so schwer und ist doch eine Herausforderung für jeden Tag. Momentan, wo uns allen dieser Krieg in der Ukraine zu schaffen macht, gilt es: dem Entsetzlichen Worte zu verleihen, zum Gebet einzuladen oder manchmal auch zum gemeinsamen Schweigen als Zeichen an die Menschen in der Ukraine: wir denken an euch. Und es gilt zu handeln. Boykott gegen Russland, Unterstützung für Flüchtlinge aus der Ukraine, sich zu Wort melden. Jesus bekennen, der Menschen zusammenbringen will, der uns einlädt nicht noch mehr zu spalten, sondern auch zu versöhnen. Die Menschen aus der Ukraine, die hierher kommen, haben Gemeinden mit guten Noten verdient aus. Kirchengemeinden, politische Gemeinden, Hauptsache da sind Menschen mit Empathie, die für sie da sind, trösten, Mut zu sprechen, politisch aktiv werden, für Frieden werben, nicht nur schnacken, sondern handeln. Ein ganz schöner Anspruch! Aber: drunter dürfen wir es auch nicht machen!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 9. März 2022

Sonnenaufgang an der Hütte

Erstellt: 09. März 2022

Tageslosung: Den Herrn fürchten heißt das Böse hassen. (Sprüche 8,13) Den Herrn fürchten – nein, da geht es in der Bibel nicht darum mit Gott Angst zu verbreiten: Von wegen: Der liebe Gott sieht alles! Wie oft wurde Gott so gepredigt, dass der Mensch sich nur noch klein und verloren fühlte und Angst hatte vor diesem mächtigen Gott. Den Herrn fürchten – in der Bibel meint das Wort „fürchten“: Ehrfurcht haben. Gott achten. Daran denken, dass wir Menschen sind – fehlerhaft, nicht vollkommen. Dass wir nicht alles wissen über einander und andere, dass wir nicht richten, als wären wir Gott, dass wir uns nicht groß machen, sondern uns für keinen Dienst zu schade sind.

 

Dass wir Respekt haben vor all dem, was Gott geschaffen hat: der Natur, den Pflanzen, Tieren und jedem Menschenkind, aus dem uns immer auch Gottes Augen entgegensehen. Denn der Mensch ist Abbild Gottes sagt die Bibel so geheimnisvoll, jeder Mensch trägt Gottes Handschrift, ist made by God und ist von Gott geliebt. Also darum Respekt voreinander, so zeigt man die Ehrfurcht vor Gott. Den Herrn fürchten heißt das Böse hassen – das könnte unser Gebet heute sein: Gott, hilf du mit, dass alle Menschen vor dir Ehrfurcht zeigen, indem sie einfach das Böse hassen und aufhören zu tun und dem Guten Tor und Tür öffnen! Gib, dass Putin und alle, die momentan Krieg und Gewalt vorantreiben und unschuldigen Menschen so viel Leid zufügen – anfangen dich zu fürchten und so alles Böse zu hassen und mit aller Gewalt aufzuhören. Und alle, die in unrechte Taten verwickelt sind, bitte hilf, dass sie dich finden, deine Liebe und so den Weg des Bösen verlassen. Und verzeih uns, wo wir das Falsche tun und dem Bösen Raum geben. Hilf uns dich zu fürchten, dich zu lieben und deinem Plan mit uns zu folgen.

Gedanken in der Passionszeit – 8. März 2022

Landschaft

Erstellt: 08. März 2022

Stellt euch vor. Es würde morgen passieren. Präsident Putin hält eine Fernsehansprache. Er sitzt mit vielen Kindern an einer langen Tafel. Die Ansprache wird in aller Welt übertragen. Und er sagt: Wir können nicht weiter Kiew bombadieren. Denn in einem der Wohnblöcke wohnt noch ein Mädchen. Die einzige Tochter ihrer glücklichen Eltern. Eine Bombe könnte versehentlich dieses zivile Ziel treffen. Diese Verantwortung könnte ich nicht tragen! Wir können nicht weiter Angriffe aus der Luft auf Charkiw fliegen. Die Stadt liegt schon so am Boden. Da sind Menschen total verängstigt in Bunkern.

 

Sie harren tagelang schon aus. Und der Anblick der zerstörten Stadt treibt mir die Tränen in die Augen! Wir können nicht weiter mit Panzer gegen Mariupol vorrücken. Die Verteidiger sind so tapfer. Und die Stadt hat eine so kostbare Geschichte. Es ist schon viel zu viel zerstört worden. Das alles muss endlich aufhören! Wir können nicht weiter die humanitären Korridore vernachlässigen. Da ist eine Frau mit ihren drei kleinen Kindern. Sie ist auf der Flucht. Sie hat bisher so tapfer ihr Leben gemeistert. Sie hat es verdient diesen Krieg zu überleben. Und all die anderen, die jetzt fliehen, auch! Und ich habe doch auch mein Wort gegeben! Wir können nicht weiter gegen Kiew vorrücken. Da sitzt die rechtmäßig gewählte Regierung der Ukraine. Ihr Präsident ist ein wirklich tapferer Mann. Solche Menschen braucht diese Welt. Wir können nicht weiter Krieg führen gegen die Ukraine. Wir haben es schon viel zu lange getan. Die Menschen dort haben ein Recht auf Frieden. Am besten fängt er heute schon an. Wir können nicht länger mit Atomwaffen drohen. Meine Enkelkinder wollen doch auch noch auf dieser Erde leben! Meine Kinder schauen mich so fragend an. Wir wollen nicht länger Angst und Schrecken um uns verbreiten. Wir wollen lieber vorangehen und uns als russische Nation einen Namen machen: Im Klimaschutz. In der Ermöglichung von Freiheit. Dass es unsere Nachbarländer nicht länger von uns wegzieht. Niemand muss mehr Angst haben. Das Leben ist schön! Wir können nicht länger Journalisten ins Gefängnis werfen und die Wahrheit in Lüge verdrehen. Heißt unsere berühmte Zeitung nicht: Wahrheit? Ich werde nie wieder Lüge in Wahrheit verdrehen! Ich möchte eines Morgens wieder in den Spiegel schauen. Momentan kann ich es nicht. Das ist kein schönes Gefühl. Und ich muss doch einmal auch vor meinem Schöpfer stehen! Was soll ich ihm sagen, wenn er mich fragt: Wo ist all das Leben, das ich geschaffen habe? Stellt euch vor. Es würde morgen passieren. Oder besser heute schon. Die Welt würde den Hut ziehen und ein Freudenfest feiern. Große Wunden wären trotzdem noch da – aber sie bekämen eine Chance ganz langsam heilen zu können. Russland würde in blau-gelb erstrahlen. Und der Friede schaute wieder zur Türe hinein! Kein Kriegsverbrechen würde beschönigt. Aber der Richter würde am Ende seines Urteils sagen: Sehr spät, aber immerhin: ist der Präsident doch noch: Mensch geworden! Alles nur geträumt? Doch wenn alle dasselbe träumen – dann kann es geschehen! Und Gott – bei dir ist nichts unmöglich! Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 7. März 2022

Drohnenaufnahme von unserer Friedensmahnwache

Erstellt: 07. März 2022

Gerade hat Gott die Welt geschaffen und den Menschen in die Verantwortung entlassen gut für die Schöpfung wie für einen anvertrauten Garten gut zu sorgen, da passiert es. Kain schlägt seinen eigenen Bruder Abel tot. Mord aus Eifersucht. Und Gott stellt Kain zur Rede: „Wo ist dein Bruder Abel? Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu mir auf der Erde.“ (1. Mose 4,11). – Gott lässt den Mord zu – er hat uns Menschen mit dieser abgründigen Freiheit ausgestattet das Gute genauso wie das Böse tun zu können, Leben bewahren wie Leben nehmen. Und doch hält er sich nicht einfach raus: er stellt den Täter zur Rede. Er ergreift Partei für das Opfer.

 

Er erinnert, was da geschehen ist: jeder Mensch, der einen anderen umbringt, bringt einen Bruder, eine Schwester um! Und er versichert: Kein Sterben, kein Leid, kein Schreien, kein Unrecht wird unbeachtet in irgendeinem dunklen Winkel geschehen und ungesühnt bleiben: Die Stimme des Blutes schreit zu Gott! – Was für ein Geschrei wird Gott in diesen Tagen im Ohr haben. Das tausendfache Schreien von Menschen im Krieg. In der Ukraine wiederholt sich tausendfacher Brudermord. Während der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kyrill, bisher scheinbar unverbrüchlich zu Präsident Putin steht, obwohl ihn jüngst erst der Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz gebeten hatte, an Putin zu appellieren den sinnlosen Krieg zu beenden (Zitat), haben sich Priester und Diakone der Russisch-Orthodoxen Kirche nun auch zu Wort gemeldet: mit einem flammenden Brief an die Kriegsparteien. Und darin wird auch aus der Geschichte von Kain und Abel zitiert:

 

„Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit von der Erde zu Mir; und nun bist du verflucht von der Erde, die ihren Mund aufgetan hat, um das Blut deines Bruders von deiner Hand aufzunehmen“, sagte Gott zu Kain, der neidisch auf seinen jüngeren Bruder war. Wehe jedem Menschen, der erkennt, dass diese Worte an ihn persönlich gerichtet sind. Kein gewaltfreier Aufruf zum Frieden und zur Beendigung des Krieges sollte gewaltsam unterdrückt und als Rechtsbruch betrachtet werden, denn so lautet das göttliche Gebot: „Selig sind die Friedensstifter.“ Wir rufen alle Kriegsparteien zum Dialog auf, denn es gibt keine Alternative zur Gewalt. Nur die Fähigkeit, den anderen zu hören, kann Hoffnung auf einen Ausweg aus dem Abgrund geben, in den unsere Länder in wenigen Tagen gestürzt wurden. „Lassen Sie sich und uns alle im Geiste des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe in die Große Fastenzeit eintreten. Stoppt den Krieg!“ –

 

Ein mutiger Aufruf – wie so viele Menschen momentan sich so mutig zeigen. Die, die ihre Freiheit verteidigen. Die Frauen, die in einer ukrainischen Stadt wehrlos auf einen russischen Panzer zugehen und ihn an der Weiterfahrt hindern. Die Demonstrierenden in Moskau und St. Petersburg, die mit diesem Einsatz ihr Leben riskieren. Wir müssen all diese mutigen Menschen hineinnehmen in unser Gebet. Das Blut unserer Schwestern und Brüder in der Ukraine schreit zum Himmel. Und Gott fragt nach: Wo sind eure Geschwister? Was wird Putin einmal antworten im letzten Gericht? – Und was – ja, was sollen wir sagen? – Bleibt behütet!

 

Foto: Eine Drohnenaufnahme von unserer Friedensmahnwache am Freitag – danke an Jorge und seine Familie für die Organisation dieser Mahnwache in Neugalmsbüll!

Gedanken in der Passionszeit – 6. März 2022

Erstellt: 06. März 2022

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. (1. Johannesbrief 3,8 )

 

Der Wochenspruch für die neue Woche. Die Werke des Teufels. Selten hatten wir wahrscheinlich dabei so viele schreckliche Bilder vor Augen wie in diesen Tagen. Und wir – viele beten, viele demonstrieren, viele läuten Glocken, viele spenden, manche fahren sogar an die Grenze zum Kriegsgebiet, bringen Hilfslieferungen hin, bringen Geflüchtete in Sicherheit. Dafür ist Gottes Sohn erschienen. Regierungen liefern Waffen gegen diese militärische Übermacht. Freiwillige fahren in die Ukraine um dort den bewaffneten Kampf derer, die für ihr Land und ihre Freiheit ihr Leben aufs Spiel setzen, zu unterstützen. Und wir hoffen, dass es gelingen wird, so schnell wie möglich, das Treiben des Teufels zu stoppen und sein Wirken wirklich zu zerstören!

 

Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 5. März 2022

Anti-Kriegs-Demonstrationen

Erstellt: 05. März 2022

„Und was soll das bringen?“ – Fragt ein Konfirmand, als ich in der letzten Stunde von einer Mahnwache vor der Neugalmsbüller Kirche erzählte und vom Friedensläuten, das am Donnerstag Mittag stattfand. Ja, was soll das bringen für die Menschen in der Ukraine, das hatte er ja im Hinterkopf bei der Frage. „Die brauchen Waffen und Ausrüstung, keine Gebete“, schob er so sinngemäß noch hinterher. – Und er ist ja nicht der erste, der so fragte. Wenn Kirchengemeinden in den sozialen Netzwerken zu Friedensgebeten einladen, schreibt häufig mindestens einer oder eine der User*innen ganz ähnlich: Was soll das bringen? – Klar ist:

 

Gebete ersetzen kein Handeln. Aber aus unserer christlichen Sicht ist ein Gebet kein Blabla und auch keine Gewissensberuhigung. Mit tut es gut bei einer Mahnwache, einem Gebet mit anderen zusammenzustehen: wir sind nicht so allein mit der eigenen Hiflosigkeit! Es ist für mich so kostbar, unser Herz vor Gott ausschütten zu können. Die Ohnmacht, die wir fühlen, die Bilder, die auch uns hier nicht einfach schlafen lassen, die Not der Menschen dort, von denen wir manchmal sogar jemand kennen: das zerreißt auch uns und muss raus. Ich glaube, Gott hört unsere Gebete und versteht unsere Seufzer. Mir tut es gut mich an Gott zu wenden, da wo ich momentan nicht viel tun kann. Er ist unsere höchste Instanz, die wir im Glauben haben. Er ist der Weltenrichter, vor dem sich jede und jeder einmal verantworten muss, auch Diktatoren, die die Weltgemeinschaft vor keines ihrer Gerichte gezogen bekommen. Er ist der Anwalt der Opfer, der einmal alle Tränen, Wunden, Schmerzen zur Sprache bringen wird, die momentan einfach geschehen, oft genug sogar nicht einmal gesehen in den sozialen Netzwerken. Und er ist auch meine Hoffnung, dass er Herzen bewegen kann. Vielleicht auch das Herz eines Putins. Alle Begegnungen auf politischer und diplomatischer Ebene führten bisher zu keinerlei Erfolg, und dennoch waren sie wichtig – es ist wichtig alles zu probieren. Wieso sollte ich mich da nicht auch weiter an Gott wenden, vielleicht kann doch etwas passieren zum Besseren hin. Und dann höre ich auch von Menschen aus der Ukraine, dass es für sie wichtig ist, dass wir etwas tun – aber auch, dass wir auf die Straße gehen, demonstrieren, schweigen, Glocken läuten, beten. „Wir sind dankbar für eure Gebete, für die militärische und humanitäre Hilfe eurer Länder, für jede Person, die geflüchteten Menschen hilft oder sich an Anti-Kriegs-Demonstrationen beteiligt.“, so schrieb das Weltgebetstagsfrauenteam aus der Ukraine in diesen Tagen. Und aus dem russischen Weltgebetstagskomitee kam die Nachricht: „Wir beten für unsere Brüder und Schwestern in der Ukraine. Mögen diese furchtbaren Zeiten bald ein Ende haben.“ Ich kann nicht beziffern, was Gebete ausrichten. Ich kann nicht messen, wie viel Kraft sie Menschen in Not geben können. Aber ich glaube, dass sie niemals umsonst sind. – „Und was soll das bringen?“ – Ja, ich weiß nicht genau, was. Ich brauche das momentan für mich. Und ich hoffe: es ist nicht umsonst. „Es ist aussichtslos“, ist kein Glaubenssatz. – Mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden aber luden wir das Kirchenauto voll mit Hygieneartikeln und Kleidung und Spielsachen und anderen Hilfsgütern und brachten die Sachen zu Joachim Hansen und Maike und ihrem Team für den großartigen Hilfskonvoi Richtung Polen. Dass das etwas bringt, darüber mussten wir keinen Moment diskutieren. Ein Segen, dass es solche Menschen wie Koja und Maike gibt! – Bleibt behütet!

Gedanken in der Passionszeit – 4. März 2022

Weltgebetstag 2022

Erstellt: 04. März 2022

Wenn Gottesdienste lange im Voraus vorbereitet werden, kann es passieren, dass die weltpolitische Lage sie völlig überholt. Es wird eine Herausforderung sein heute Abend in vielen Gemeinden den jährlichen Weltgebetstag der Frauen zu feiern, der immer am ersten Freitag im März stattfindet. Das Gastgeberland – oder dieses Mal die Gastgeberländer – sind England, Wales, Nordirland, also in Europa zu Hause. Aber natürlich konnte das Vorbereitungsteam im vergangenen Jahr nicht ahnen, auf welche bedrängende Lage in Europa dieser Weltgebetstag treffen würde. Und bestimmt werden vielfach heute Abend vielfach Gebetsanliegen ergänzt und Kerzen angezündet werden für den Frieden und die Menschen in der Ukraine und die vielen auf der Flucht. – Zwei Impulse aus dem Vorbereitungsheft haben mich allerdings sehr berührt – sie sind so aktuell wie nie. Da ist das Titelbild des Weltgebetstages: eine Tür, die sich öffnet, und Leben dahinter, lebenswertes Leben: eine Pflanze im Asphalt, eine Friedenstaube am Himmel. Und da ist das zentrale Bibelzitat aus Jeremia 29, zu dem der Gottesdienst vorbereitet wurde: „Ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht Gott der Herr, Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch Zukunft gebe und Hoffnung.“

 

Und die Worte: „Ich werde euer Schicksal zum Guten wenden.“ (Vers 14). Ob diese Worte die verzweifelten Menschen in der Ukraine erreichen können? Vielen bedeutet ihr christlicher Glaube dort unendlich viel, das haben wir selber bei so mancher Begegnung mit einem ukrainischen Schulchor nahe Kiew hier in Deutschland erleben dürfen. Wir sehen nichts von Frieden, wir spüren kaum Hoffnung, wir sind ernüchtert und traurig und tief bewegt beim Anblick der so tapfer kämpfenden Belagerten und wollen uns gar nicht ausmalen, was alles noch auf diese zukommen wird. Gott, bitte, es wird Zeit: pflanze deine Gedanken in die Köpfe der für diesen Krieg Verantwortlichen ein, stoppe diesen Wahnsinn. Du willst Zukunft, Hoffnung, Frieden. Für Kiew, für die Ukraine, für die Menschen dort! Wir sehen gar keinen Weg, wie in der momentanen Lage etwas dort wieder gut werden kann. Du siehst es. Darauf müssen wir vertrauen. – Wo wir leer sind und verzweifelt, da können wir uns doch nur an die anderen, besseren Gedanken Gottes halten: er weiß einen Weg, er hat einen Plan. Und er will uns an seiner Seite haben, alle, mit unseren Möglichkeiten, dass dieser Plan Wirklichkeit werden kann. – Es mag hilflos erscheinen dann einfach mittags wie gestern europaweit 7 Minuten die Glocken zu läuten oder ein Gebet zu sprechen oder auf die Straße zu gehen. Aber einfach gar nichts tun kann doch auch nicht der Weg sein! Heute geschieht ganz viel: da fährt ein Klanxbüller Unternehmer mit 13 Sprintern vollbeladen mit Kleidung, Decken, Hygieneartikeln, Spielsachen, Babyflaschenwärmern und vielem mehr, was alles gespendet wurde – und mit einem tollen Team – Richtung Polen, und von dort werden die Sachen weitergeliefert an die ukrainische Grenze, zu Flüchtlingslagern, zu Familien, die Flüchtlinge aufnehmen. Das ist so ein kleiner Silberstreif Hoffnung, das ist etwas zum Überleben für die Menschen dort, da leuchtet etwas auf von der Welt, wie sie sein könnte und wie sie sich Gott vorstellt. – Kommt gut an und gut wieder heim, viel Segen für eure Reise, Maike und Koja! Und ihr alle – bleibt behütet!

 

Bild: Weltgebetstag 2022, Stickerei von Angie Fox

Gedanken in der Passionszeit – 3. März 2022

Kirche

Erstellt: 04. März 2022

Eine Woche Krieg in der Ukraine. Bilder, Nachrichten aus dem Land, die unvorstellbar sind … Statt eigener Worte hier der Bibeltext für die erste Woche der Passionszeit von der Aktion: 7 Wochen ohne der Evangelischen Kirche. Ausgewählt zu einer Zeit, als an einen solchen Krieg noch niemand denken konnte:

 

„Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des Herrn Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge, und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des Herrn, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen Krieg zu führen. Kommt nun, ihr vom Hause Jakobs, lasst uns wandeln im Licht des Herrn!“ (Jesaja 2,1–5 in Auswahl). – Würde es doch so werden auf der Welt, in der Ukraine: Dass Gott seine Wege lehrt und alle Welt verlernt Kriege zu führen! Seid behütet!

 

Foto: Kirche auf dem Berg der Seligpreisungen in Israel. Selig die Friedensstifter, denn sie werden Gottes Kinder heißen!

Gedanken in der Passionszeit – 2. März 2022

Himmel

Erstellt: 03. März 2022

„Seht, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und es wird alles vollendet werden, was geschrieben ist durch die Propheten von dem Menschensohn.” (Lukas 18,31)

 

Die Passionszeit hat begonnen. Aschermittwoch. Ein Tag um sich Asche aufs Haupt zu streuen. Das Leben zu bedenken. Sich neu auf Gottes Frieden und Liebe auszurichten. Wenn dies doch auch für den russischen Präsidenten Anlass wäre!

 

Mitten im Leiden sind wir längst angekommen. Die Nachrichten aus der Ukraine schnüren einem schier die Kehle zu. Unvorstellbares Leid ist über die Menschen dort hereingebrochen! Irgendwann gestern Abend konnte ich die Bilder nicht mehr ertragen von dem russischen Konvoi, der immer näher an die Stadt Kiew heransteuert. Von Krankenhäusern, die bombardiert werden. Väter, die sich von Frauen und Kindern verabschieden, die sie zur Grenze begleitet haben. Sterbenden, Verzweifelten. Und das alles vielleicht 1700 Kilometer von uns entfernt. – Ich musste zwischendurch umschalten, DFB-Pokalspiel, St. Pauli – Union Berlin.

 

Einfach mal was anderes sehen, eine kurze Ablenkung, weil die Bilder aus dem Krieg so unerträglich waren. Nur die Menschen in der Ukraine können sich nicht mal schnell mit der Fernbedienung aus dem Krieg herausschalten!! Als Jesus in voller Leidensgestalt, geschlagen, gegeißelt, zum Tode verurteilt vor Pilatus steht, sagt er diese seltsamen Worte: Siehe – ein Mensch (Oder vielleicht: Seht, welch ein Mensch). Und damit berührt er das Geheimnis dieser Passionszeit. Christus ist gekommen um unser Leiden an seinem Leib mitzutragen, mitzufühlen. Er erklärt sich mit allen Leidenden solidarisch. Er wird wie sie. Und noch immer fühlt er alles Leid selber mit. Er scheint manchmal so wehrlos, so ohnmächtig inmitten des Grauens dieser Welt. Aber er ist nahe. Mitten im Leid. Bei denen, die sich allein und im Stich gelassen fühlen. Er fühlt mit ihnen. Er ist bei ihnen. Und hält der Welt den Spiegel vor: Wollt ihr dieses Leid einfach so geschehen lassen? Oder wollt ihr nicht alles, was geht, tun, um Leid zu überwinden und um Menschen im Leiden zur Seite zu stehen? – „Seht, welch ein Mensch!“ – Aus den Bildern von Menschen in der Ukraine, auf der Flucht, verwundet, weinend, verzweifelt – schaut uns Jesus an. Verstehen wir seine Botschaft? Bleibt behütet!

 

Euer Pastor Gerald Rohrmann

LOSUNG
DES TAGES

Losung für heute:

Ach HERR, siehe, du hast Himmel und Erde gemacht durch deine große Kraft und durch deinen ausgereckten Arm, und es ist kein Ding vor dir unmöglich.
Jeremia 32,17

Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.
Johannes 3,16

© Evangelische Brüder-Unität - Herrnhuter Brüdergemeine

Weitere Informationen finden Sie hier